Notaufnahme für Mädchen in großer Not

Das Mädchenhaus Bremen muss seine Notaufnahme für von Gewalt bedrohte Mädchen schließen, um der Insolvenz zu entgehen

Bremen taz ■ Es hilft Mädchen in und aus der Krise, nun ist es selbst in Not: Wegen anhaltender Unterfinanzierung steht die Notaufnahme des Mädchenhaus Bremen vor dem Aus. „Es ist definitiv klar, dass wir einen Teil der Einrichtung schließen müssen, um nicht in die Insolvenz zu geraten“, bestätigt Ingrid Gehlken, Vorsitzende des Trägervereins. Die Beratungsangebote am Rembertiring, die Mädchen-Wohngruppe in der Neustadt und eventuell das Notruftelefon sollen erhalten bleiben.

Derzeit hält das Mädchenhaus noch für bis zu sieben Mädchen, die von psychischer, physischer oder sexueller Gewalt bedroht oder deren Opfer geworden sind, Notunterkünfte mit Rund-um-die-Uhr-Betreuung vor – an geheimgehaltener Adresse im Bremer Zentrum. 73 Mädchen fanden im letzten Jahr dort Unterschlupf. Doch die Tagessätze, die das Jugendamt zahlt, decken die Kosten für die sechs Vollzeitstellen der Betreuerinnen nicht.

Schon vor zwei Jahren stand die Notaufnahme auf der Kippe – das Sozialressort hatte feste Zuschüsse gestrichen, zahlte fortan nur noch für belegte Plätze, das Jugendamt erhielt die Anweisung, verstärkt auf ambulante Hilfen zu setzen und Jugendliche möglichst nur noch kurz in Kriseneinrichtungen unterzubringen. Heike Ohlebusch, pädagogische Leiterin des Mädchenhauses, resümiert: „So geht das nicht.“ Zwar sei es richtig, sich schnell um andere Perspektiven für die Jugendlichen in Not zu kümmern. Aber: „Man kann nicht um jeden Tag feilschen.“ Längerfristig würden durch eine schlechtere Betreuung sogar mehr Kosten entstehen.

Unterstützung erhielt Ohlebusch vom jugendpolitischen Sprecher der Grünen, Jens Crueger. Die fachliche Weisung des Sozialressorts sei „falsch“, die diesbezüglichen Bedenken der Grünen hätten sich bestätigt. Die „ausschließlich fallbezogene Finanzierung“ der Notaufnahmeeinrichtungen habe sich als „nicht besonders tragfähig erwiesen“, findet auch der sozialpolitische Sprecher der SPD, Joachim Schuster. Der vorhandene „Überhang“ an Notaufnahme-Plätzen müsse aber abgebaut werden. Dass dies nun ausgerechnet zu Lasten des feministisch orientierten Mädchenhauses gehe, bedauerte er.

In der Tat dürfte die ebenfalls sinkende Auslastung der von der Caritas betriebenen anderen beiden Mädchen-Notaufnahmen in Walle und Vegesack steigen, wenn die des Mädchenhauses wegfällt. Ohlebusch hält diese „Marktbereinigung“ dennoch für falsch. Es sei vielmehr Aufgabe der Stadt, zu entscheiden, wie viele Notaufnahmeplätze es noch geben solle. Welcher Träger die Plätze letztlich vorhalte, könne per Ausschreibung geklärt werden. In jedem Fall aber müssten die Plätze auslastungsunabhängig finanziert werden. Denn, so Ohlebusch: „Not kann man nicht steuern.“ sim