„Es geht um reine Imagepflege“

Von 1993 bis 2004 unterstützte der Tabakriese Philip Morris das Künstlerhaus Bethanien in Kreuzberg. Dessen Geschäftsführer Christoph Tannert hält die Kooperation für einen Erfolg: Das Geld sei unbedingt nötig gewesen

taz: Herr Tannert, Philip Morris hat das Stipendiatenprogramm des Künstlerhauses Bethanien von 1993 bis 2004 mit rund 250.000 Euro unterstützt. Kein Konzern verschenkt Geld aus reiner Nächstenliebe: Was erhoffte sich der Tabakhersteller von der Zusammenarbeit?

Christoph Tannert: Natürlich spendet ein Tabakkonzern nicht, weil er uns und die Kunst so unendlich liebt. Es geht hier um reine Imagepflege des Konzerns – aber das ist ja nichts Verwerfliches. Solange keine Einmischung in unsere künstlerische Freiheit stattfindet, ist das in Ordnung. Alles andere wäre unsittlich für uns gewesen.

Wie kam der Kontakt zustande?

Das Künstlerhaus Bethanien befand sich mal wieder in einer finanziellen Notsituation. Also war ich händeringend auf der Suche nach Sponsoren. Außerdem kam für uns nur Geld aus der freien Wirtschaft infrage, denn staatliche Kulturstiftungen gab es damals noch keine.

Weil also die staatlichen Mittel nicht ausreichten, musste Philip Morris einspringen?

Genau so war es. Aber auf uns ist niemand zugekommen: Ich habe mich an die Künstlerförderung des Konzerns gewendet. Es war ein sehr langsamer Prozess der Annäherung. Der Konzern wollte uns kennen lernen, und umgekehrt wollten wir Philip Morris kennen lernen. Die Grundvoraussetzung für ein Sponsoring war ohnehin, dass das Bethanien seine gesellschaftlich kritische Position weiterführen konnte.

Wie müssen wir uns das vorstellen: Durfte man bei Ihnen nur noch Marlboro rauchen?

Es gab keine Werbebanner oder Produkte von Philip Morris bei uns. Auch Werbegirls sind nicht durch unsere Räume gehüpft. Es gab einen Kooperationsvertrag, aber darin wurden nur bürokratische Details geklärt. Zum Beispiel, wie viel Geld ein Stipendiat für seinen Aufenthalt bei uns von Philip Morris bekam. Und natürlich wurde auch festgelegt, dass bei Ausstellungseröffnungen der Sponsor auf den Plakaten erwähnt wurde. Als wir von Volvo finanzielle Zuschüsse bekamen, verteilten die im ganzen Haus Schokoladenautos.

Gab es negative Reaktionen auf die Zusammenarbeit mit dem Tabakhersteller? Nichtraucher hätten da doch schnell in Gewissenskonflikte geraten können.

Im Gegenteil. Jeder wusste von der Zusammenarbeit, und jeder Künstler hatte die freie Wahl, ob er sich von einem Tabakkonzern sponsern lassen wollte oder nicht. Durch die Gelder von Philip Morris konnten die Stipendiaten Projekte verwirklichen, die sie sonst vielleicht nie hätten umsetzen können.

Entscheidend war auch, dass die Künstler unsere Sponsorenpolitik immer einsehen konnten.

Rückblickend betrachtet – wie bewerten Sie die Zusammenarbeit?

Wir hatten auf der ganzen Linie Erfolg. Wir haben 23 Stipendien vergeben und kostspielige Projekte umsetzen können. Der Dialog zwischen dem Konzern und uns war immer sehr verständnisvoll und offen. Das kann man sich nur wünschen.

Interview: CIGDEM AKYOL