Gesund dank Philip Morris

Die Tabakindustrie hat Geld, aber ein Imageproblem. Deswegen finanziert sie soziale, kulturelle und wissenschaftliche Projekte. Die Grünen fordern nun, dies zumindest in Krankenhäusern zu verhindern

von Nina Apin

„Keine Tabakindustriegelder für die medizinische Forschung!“ – so lautet ein aktueller Antrag der Grünen-Fraktion ans Abgeordnetenhaus. Darin wird der Senat aufgefordert, die landeseigenen Kliniken Charité und Vivantes dazu zu bewegen, einen Ethischen Kodex zu unterschreiben. Dieser soll sie verpflichten, eventuelle Fördergelder der Tabakindustrie abzulehnen.

Hintergrund des Ansinnens ist, dass das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg im November als erste Forschungseinrichtung Deutschlands freiwillig einen solchen Kodex verabschiedet hat. Anlass zur Besorgnis, so die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen Lisa Paus, gebe eine Studie amerikanischer Wissenschaftler, die den Einfluss der Tabakindustrie auf die deutsche Wissenschaft untersucht hat: Danach versuchten die Konzerne, Wissenschaftler gezielt zur Verharmlosung der Auswirkungen des Tabakkonsums zu verleiten.

Der Antrag hat jetzt neue Brisanz erhalten. Am Freitag gründete die Charité eine Tochtergesellschaft namens Charité Research Organisation. Das Unternehmen soll Drittmittel aus der Pharmaindustrie einwerben. Paus fordert deswegen das Engagement von Wissenschaftssenator Thomas Flierl (Linkspartei). Als Aufsichtsratschef der Charité soll er von der Tochtergesellschaft eine eindeutige Positionierung gegen eine Zusammenarbeit mit der Tabakindustrie verlangen.

Rolf Zettl, Leiter der strategischen Unternehmensentwicklung an der Charité, findet die Aufregung absurd: „Bei dem neuen Projekt geht es um die Entwicklung von Medikamenten. Das ist kein Betätigungsfeld der Tabakindustrie.“ Die Grenzen der Zusammenarbeit definiert die hauseigene Ethikrichtlinie. Darin ist allgemein von ethischem Verhalten die Rede; eine Kooperation mit Einrichtungen der Tabakindustrie wird nicht explizit ausgeschlossen.

Die gänzliche Verweigerung der Zusammenarbeit fordert hingegen Johannes Spatz, Vorsitzender der Initiative „Forum Rauchfrei“. Die Organisation hat einen Kodex gegen jede Art von Sponsoring durch die Tabakindustrie erarbeitet. Unterschrieben hätten bisher etwa 50 Einrichtungen aus Medizin, Wohlfahrt und Kultur, u. a. auch Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) sowie zwei private Berliner Kliniken.

Spatz prangert nicht nur die Finanzierung medizinischer Forschung an. Besonders perfide findet er die Unterstützung kultureller und gemeinnütziger Aktivitäten durch Tabakfirmen. „Eine Industrie, die in Deutschland jährlich über 100.000 Menschen tötet, versucht sich durch imagefördernde Maßnahmen reinzuwaschen.“ Spatz fordert soziale Einrichtungen und Künstler auf, der Tabakindustrie zu widerstehen. „Wer Geld nimmt, macht sich abhängig.“

Irma Leisle kann diese Einschätzung nicht teilen. Sie leitet die „BIG“-Hotline, eine Initiative gegen häusliche Gewalt. BIG bietet neben der Telefonberatung auch einen mobilen Interventionsdienst an. Seit 2001 spendet der Tabakkonzern Philip Morris jährlich 100.000 Euro an das Sozialprojekt; Geld, das der Senat zuvor gestrichen hatte. „Ohne Philip Morris könnten wir diese Arbeit nicht betreiben“, stellt Leiste fest. Gegenleistungen erwarte der Konzern keine. Doch Philip Morris kann sich im Bereich häusliche Gewalt als Wohltäter profilieren. „Ein Thema, das nur wenige Sponsoren attraktiv finden“, stellt Irma Leisle trocken fest.