Deutsches Versteckspiel bei der Flugsteuer

Wirtschaftsminister Glos und Finanzminister Steinbrück schieben Ticket-Abgabe auf die lange Bank

BERLIN taz ■ Zehn Staaten hätten sich mittlerweile entschlossen, eine neue Abgabe auf Flugtickets einzuführen, sagte gestern der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy. Neben Frankreich sind das u. a. Brasilien, Chile, Nigeria, Zypern, Niger und Madagaskar. Wegen unterschiedlicher Positionen innerhalb der Bundesregierung ist Deutschland nicht dabei.

In Paris endete gestern eine Konferenz über Entwicklungsfinanzierung, zu der Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac eingeladen hatte. Angereist war auch Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), die sich für die Flugticketsteuer als „eine Möglichkeit“ aussprach. Bei der Umsetzung dieser Idee aufgehalten wird die Ministerin freilich von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU). Beide betrachten das Vorhaben mit Skepsis, da sie eine Benachteiligung der Airlines in Deutschland befürchten. Außerdem will man die Bevölkerung nicht mit einer weiteren Steuererhöhung verschrecken. Ein Gesetzentwurf muss nach Ansicht des Entwicklungsministeriums aus dem Finanzministerium kommen, liegt aber bislang nicht vor. In Paris begnügte sich Wieczorek-Zeul mit der Ankündigung, einem internationalen Beratungsgremium beizutreten, das die Flugticketsteuer vorantreiben und ihre konkreten Auswirkungen bis zum Ende des Jahres 2006 überprüfen soll.

Die französische Regierung ist weniger zimperlich als die deutsche: Ab 1. Juli erhebt Paris zwischen 1 und 40 Euro Aufschlag pro Flugticket, um rund 200 Millionen Euro für die Bekämpfung von Aids in Afrika zu erhalten. Die internationalen Luftverkehrsunternehmen lehnen die neue Steuer im Wesentlichen ab. Auch die US-Regierung weigert sich, darüber nachzudenken.

Die Regierungen waren in Paris zusammengekommen, um neue Möglichkeiten der Finanzierung von Entwicklungspolitik auszuloten. Dazu gehören neben der Abgabe auf Flugtickets die Einführung einer Steuer auf Devisentransaktionen und Anleihen am privaten Kapitalmarkt.

Vor allem Kofi Annan, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, fordert die reichen Industriestaaten immer wieder auf, mehr Mittel für die Reduzierung der Armut in Afrika, Lateinamerika und Asien bereitzustellen. Im Rahmen der Millenniumziele der Vereinten Nationen soll der Anteil der in absoluter Armut lebenden Menschen an der Weltbevölkerung bis zum Jahr 2015 halbiert werden. Nicht nur die deutsche Regierung sieht sich nicht in der Lage, das nötige Geld aus ihrem Haushalt zur Verfügung zu stellen – daher die Suche nach neuen Finanzquellen. HANNES KOCH