IN DER HOTELBAR
: Männer und Frauen

Die klugen Dinge klingen biologistisch, sind aber nicht falsch

Sommer in Berlin, ich habe ein Rendezvous in einer, tja ja, Hotelbar in Mitte. Dort sitzt ein Hotelbarpianist, der Hotelbarversionen eingängiger Oldies klimpert. Dazu etwas Chopin oder Debussy. Die Atmosphäre ist sehr angenehm. Der Oberkellner sieht wie John Malkovich aus und hat einen rheinischen Akzent. Der Milchkaffee kostet 7,50 Euro.

Ich mache zwei, drei Witze über die Situation, mein Rendezvous ist leicht beleidigt. Nachdem sie die Rechnung übernommen hat, holt sie zu einem wahnwitzigen Monolog aus, der sie über Feminismus, Kapitalismuskritik, die Muslime und die schädlichen Zutaten in Jogurts zum bevorstehenden Ende der Welt bringt. Danach sagt sie zwei, drei äußerst kluge Dinge über Männer und Frauen. Die klugen Dinge klingen biologistisch, sind aber dennoch nicht falsch.

Ich muss an die Alleinerziehende denken, mit der ich vor Kurzem ebenfalls in einer Hotelbar verabredet war. Allerdings hat es dort keinen Hotelbarpianisten gegeben, obwohl es ein Hotelbarpiano gegeben hat und es ein lauschiger Abend war. Die Alleinerziehende war enttäuscht, es war ihr Geburtstag, und sie hatte sich eine dekadente Atmosphäre vorgestellt. Außer uns waren aber nur ein älteres Paar sowie mehrere Geschäftsmänner anwesend. Wir saßen auf der Couch gleich vor dem Piano und haben uns Cocktails bestellt. Die Alleinerziehende hatte sich für einen süßen, rötlichen Cocktail in einem damenhaften Glas entschieden. Sie Cosmopolitan in der Cocktailschale, ich Old Fashioned.

Während der Tirade der begehrenswerten Verrückten muss ich grinsen. Jetzt sitzt uns ein junges Paar gegenüber, das von dem Oberkellner äußerst zuvorkommend bedient wird. Die Nichte des Hotelbesitzers und ihr neuer Freund. Jung, erfolgreich, sexy. Ich beginne, mich nach Kreuzberger Raucherkneipen zurückzusehnen.

RENÉ HAMANN