„Das war bei uns generell kein Thema“

BUNDESTAG Michael Hartmann, parlamentarischer Geheimdienstkontrolleur, fordert einen Ermittlungsbeauftragten zur NSA-Affäre

■ 50, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied im parlamentarischen Kontrollgremium, das die Geheimdienste kontrollieren soll.

taz: Nach Spiegel -Informationen haben deutsche Geheimdienste eine Späh-Software des US-Geheimdienstes NSA benutzt. Wurde das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) hierüber informiert?

Michael Hartmann: Sie wissen, ich darf Ihnen nicht über Inhalte aus dem Kontrollgremium berichten. Aber es ist kein Geheimnis, dass es nicht Aufgabe des PKG ist, sich um Details wie einzelne Softwareprogramme zu kümmern.

Wurde das PKG über eine neue Linie des Bundesnachrichtendienstes (BND) bei der Datenweitergabe an die USA informiert?

Nein. Die Zusammenarbeit mit US-Diensten war im PKG generell kein Thema. Es wäre niemand von uns auf die Idee gekommen, danach zu fragen, ob Deutschland von einem befreundeten Dienst ausgeforscht wird.

Hätte eine neue Linie bei der Datenweitergabe an die USA Thema im PKG sein sollen?

Das ist eine grundsätzliche Frage, über die uns die Bundesregierung zumindest hätte informieren müssen.

Was muss jetzt passieren?

Die Bundesregierung muss jetzt sofort umfassend für Klarheit sorgen, statt zuzulassen, dass ständig neue Bruchstücke über die Zusammenarbeit mit der NSA bekannt werden und unkommentiert oder nur halb dementiert im Raum stehen bleiben.

Glauben Sie, dass das passiert?

Nach der Erfahrung der letzten Wochen habe ich große Zweifel. Die Regierung hat schon lange die Gelegenheit, reinen Tisch zu machen, nutzte sie aber nicht.

Was kann das PKG tun, um seinen Informationsanspruch zu verteidigen?

Wir sollten darüber nachdenken, dass das PKG einen Ermittlungsbeauftragten einsetzt. Dieser sachverständige Untersuchungsführer müsste mit so viel Mitarbeitern und Befugnissen ausgestattet werden, dass er dem Bundestag endlich umfassende Kenntnisse verschafft.

Gab es das schon einmal?

Erst einmal, bei der Aufklärung der BND-Aktivitäten im Irakkrieg. Die Möglichkeit, einen solchen Sachverständigen einzusetzen, ist im „Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes“ vorgesehen.

Was sind die gesetzlichen Voraussetzungen?

Das PKG muss dies mit Zweidrittelmehrheit beschließen.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH