Kehraus an der Elbe

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Ab heute wird Hamburg wieder sauber. Nach 16-tägigem Streik im öffentlichen Dienst mit Schwerpunkt bei der Müllabfuhr haben sich die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und die städtischen Arbeitgeber gestern Nachmittag auf einen Kompromiss in der Frage der Arbeitszeitverlängerung geeinigt. Bei der umgehend angesetzten Urabstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern zur Beendigung des Ausstandes votierten 42 Prozent für ein Ende des Streiks. Notwendig ist die Zustimmung eines Viertels. Die Vereinbarung sieht einen gestaffelten Kompromiss nach Lebensalter, Gehaltsstufen und familiären Umständen der Arbeitnehmer vor. So sollen Beschäftigte unterer Entgeltstufen künftig 39 Stunden pro Woche arbeiten, wenn sie jünger als 49 sind und keine Kinder unter zwölf Jahren haben. Wer in dieser Altersgruppe Kinder bis zwölf Jahre erzieht, soll 38,5 Stunden arbeiten. Für Beschäftigte, die über 49 Jahre alt sind, gilt eine Arbeitszeit von 38 Stunden.

Außerdem wird festgehalten, dass die Vereinbarung nicht als Begründung für den Abbau von Arbeitsplätzen dienen darf und dass Teilzeitbeschäftigten keine Nachteile entstehen dürfen. Die öffentlichen Arbeitgeber hatten eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 40 Wochenstunden verlangt.

Nach Ende des größten Streiks in Hamburg seit 1992 wird es nach Einschätzung der Stadtreinigung rund zwei Wochen dauern, bis die Müllberge in der Hansestadt vollständig beseitigt sind. Bisher haben sich während der Arbeitsniederlegung der Müllwerker rund 30.000 Tonnen Abfall an den Straßenrändern angesammelt.

Vorige Woche hatte die Gewerkschaft bereits einer Sonderschicht der Stadtreinigung zugestimmt: Die Reeperbahn und das angrenzende Rotlicht-Viertel auf St. Pauli waren so zugemüllt, dass eine Abfallbeseitigung unumgänglich geworden war. Auch hatte die Ärztekammer schon eine Rattenplage und sogar den Ausbruch von Seuchen wie Typhus an die Wand gemalt.

Von einem „tragfähigen Kompromiss“ sprach Volker Bonorden, als Personalamtschef der Hamburger Senatskanzlei einer der beiden Verhandlungsführer der Stadt. Für die Arbeitnehmerseite erklärte Rainer Hahn von Ver.di, die Arbeitgeber seien „weit weg von der 40-Stunden-Woche“.

Ablehnend äußerte sich hingegen der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring (CDU). „Wir bleiben bei unserer Forderung von mindestens der 40-Stunden-Woche“, sagte er gestern in Hannover. Der Hamburger Kompromiss habe „keinen Vorbildcharakter“ für die weiteren Verhandlungen über den öffentlichen Dienst in den meisten Bundesländern.

Hamburg geht bei Teilen des öffentlichen Dienstes einen Sonderweg. Wegen der umfangreichen Verselbständigung einst städtischer Unternehmen wie der Stadtreinigung oder des Schwimmbadbetreibers Bäderland müssen Sondervereinbarungen getroffen werden. Mit Blick auf das für den 9. März geplante Spitzengespräch von TdL und Ver.di sagte Möllring: „Ich habe immer gesagt, dass ich optimistisch in jede Verhandlung gehe. Aber ob sich dieser Optimismus hinterher bewahrheitet, muss man sehen.“

Neben den bei Ver.di organisierten Beschäftigten von Stadtreinigung und -entwässerung, des Winterdienstes sowie der Bezirksämter hatten auch Angestellte der Polizeiverwaltung und des Verkehrsordnungsdienstes zeitweise die Arbeit niedergelegt. In der Boulevardpresse der Hansestadt sorgte das für unterschiedliche Reaktionen: Die Vermüllung der Stadt wurde täglich heftiger kritisiert, die Arbeitsniederlegungen der Knöllchenschreiber hingegen gefeiert.