Schweigen im Wald

Wenn keiner mit dem anderen spricht, ist Aufregung eine wahrscheinliche Folge: Im Landkreis Cuxhaven erhitzt der försterliche Kahlschlag in einem 200-jährigen Eichenbestand die Gemüter

von Benno Schirrmeister

Manchmal ist Schweigen Blech, und Reden wäre Gold gewesen. Zum Beispiel im Holzurburger Wald. Der Holzurburger Wald ist ein echter Eichen-Hainbuchen-Mischwald, in der Nähe von Bad Bederkesa, das zum Kreis Cuxhaven gehört. Und nichts ist schöner als ein echter Eichen-Hainbuchen-Mischwald. Jetzt hat er eine kahle Stelle von drei Hektar.

Ein Hektar sind 100 Meter zum Quadrat. Drei Hektar sind also eine ganze Menge Holz – über 100 Bäume. Und das waren Altbestände, gute 200 Jahre gewachsen, die das Landesforstamt Harsefeld hat fällen lassen. Unangekündigt. Ohne die Naturschutzbehörden zu benachrichtigen. Ohne den Kreisarchäologen anzurufen. Und ohne den Landrat zu informieren.

„Asche über unser Haupt“, sagt Forstamtsleiter Otto Fricke und gelobt Besserung. „Wir haben die Reaktionen völlig unterschätzt.“ Außerdem, so Fricke, und da schwingt Bitterkeit mit, habe man „nicht erwartet, dass lauter Leute sich auf dieses Thema stürzen, ohne bei uns nachzufragen“. Gemeint sind offensichtlich Berichte in der Lokalpresse und Politikerstatements. David McAllister, der aus Bederkesa stammt und Chef der CDU-Landtagsfraktion ist, befand, dass die Forstleute da „richtig hingelangt“ hätten – und intervenierte beim niedersächsischen Landwirtschaftsminister Heinrich Ehlen. Und auch der SPD-Landtagler Claus Johannßen meldete sich zu Wort.

Fricke allerdings beteuert, dass es sich um einen „hiebreifen Bestand“ gehandelt habe. Und dass es keine Alternative gebe zum großflächigen Kahlschlag: Zwar hatten seine Vorgänger einzelne Bäume gefällt und an deren Plätze Jung-Eichen gesetzt. Aber was daraus geworden ist, habe man ja jetzt deutlich gesehen: „Wir haben gefunden: Brombeerranken, verrottete Schutzzäune und vom Wild verbissene Eichenschösslinge.“ Nein, aus forstfachlicher Sicht habe man richtig gehandelt.

Manche haben so ihre Zweifel daran. Der parteilose Kreistagsabgeordnete Ulrich Schröder zum Beispiel. „Die wollten das Geld“, vermutet er. Die Holzpreise sind so hoch wie lange nicht mehr. Und so ein Eichenstamm bringe „runde 10.000 Euro“.

Das würde dazu passen, dass die Landesforsten seit vergangenem Jahr als Eigenbetriebe privatwirtschaftliche Kriterien zu erfüllen haben – sprich: Gewinn einfahren müssen. Wichtigste Einnahmequelle für Förster sind seit eh und je Holzverkäufe. Frickes Einschätzung, dass „die Sache ausgestanden und vorbei“ sei, mag Schröder nicht teilen. „Ich sehe nicht ein“, beharrt er, „dass man das einfach abholzt.“ Man müsse „mit Altholzbeständen anders umgehen“. Den Kreistag hat Schröder dazu aufgefordert, die Fällaktion „schärfstens“ zu verurteilen. Für die Tier- und Pflanzenwelt, das Landschaftsbild und sogar den Tourismus sei „ein irreparabler Schaden entstanden“. Nicht zuletzt, weil just vor kurzem der Mittelspecht begonnen habe sich anzusiedeln – und zwar ausgerechnet im Kahlschlaggebiet. Der Mittelspecht ist ein ausgesprochen seltener Vogel. Allerdings: Beobachtet hat ihn im Holzurburger Wald bislang nur die Ortsgruppe des NABU, der auch Schröder angehört. „Wir hätten das der Naturschutzbehörde melden müssen“, sagt er. Ja, spricht denn im Landkreis Cuxhaven keiner mit keinem?

In der Zentrale der niedersächsischen Landesforsten ist man „auch nicht so ganz glücklich“. Denn „drei Hektar“, so deren Sprecher Stefan Fenner „sind unter Normalbedingungen zu groß.“ Die Regel seien Flächen von maximal anderthalb Hektar. Allerdings: Holzurburg sei „kein Normalfall“ gewesen, die Verjüngung notwendig – und junge Eichen brauchen Licht.

Mit Schröders Antrag befasst sich nun der Fachausschuss. Dort haben alle Beteiligten die Chance, miteinander zu sprechen.