Mitte raubt den Bezirken ihre Kulturschätze

KULTURSTANDORTE Weil große Museen ins Stadtzentrum abwandern, bluten Bezirke kulturell aus, kritisieren die Kulturstadträte und fordern für die Standorte vom Senat Nachnutzungskonzepte. Hat der aber nicht

Die Opposition im Abgeordnetenhaus sowie Bezirksstadträte haben dem Regierenden Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit (SPD) vorgeworfen, große bezirkliche Kulturstandorte „nach Mitte abzuziehen“ und kein Konzept für die Nachnutzung der „peripheren Leerstellen“ zu entwickeln. Es gebe die „unübersehbare Tendenz von kulturellen Institutionen ins Zentrum“, ohne dass diese „Defizite“ in den Bezirken „adäquat ersetzt würden“, kritisierten Uwe Lehmann-Braus (CDU) und Oliver Schruoffeneger (Grüne) den Regierenden am Montag im Kulturausschuss. Damit erlitten manche Standorte einen „Bedeutungsverlust“ und ganz Berlin einen Imageschaden.

Wowereit widersprach zwar dem skizzierten Bild des „kulturellen Ausblutens“ der Bezirke. „Der Senat fördert die reichhaltige bezirkliche Kultur“, sagte er. Zudem dienten die „Mitte-Institutionen“ der ganzen Stadt. Er räumte aber ein, dass über den Erhalt von Standorten und seine Perspektiven nachgedacht werden sollte. Wenn ganze Komplexe wie die Dahlemer Museen oder das Alliiertenmuseum „verlagert“ würden, müsse „etwas Neues“ ins Blickfeld genommen werden. Nur was, blieb offen.

In der Tat gehört Dahlem zu den größten Verlierern von Kulturinstitutionen, wie die Kulturstadträtin von Steglitz, Cerstin Richter-Kotowski, erinnerte. Neu ist das nicht: Vor Jahren hatten sich das Land und der Bezirk entschieden, dass die Außereuropäischen Sammlungen ab 2014 ins Humboldt-Forum wandern werden. Problematisch aber sei, so Richter-Kotowski, dass für die großen Gebäude noch immer kein Nachnutzungskonzept vorliege. Dies träfe auch für das Alliierte Museum in Zehlendorf zu, das nach Tempelhof umziehen wolle, sagte sie. Sie forderte den Senat auf, die Abwicklungstendenzen zu korrigieren.

Betroffen vom Sog in die Mitte sind neben Steglitz-Zehlendorf auch Charlottenburg und Lichtenberg. Die Museumslandschaft am Charlottenburger Schloss wurde bereits ausgedünnt. Mit dem Verlust der alten Tribüne oder den kriselnden Theatern am Kurfürstendamm droht dem Bezirk – nach dem Kinosterben – ein weiterer kultureller und wirtschaftlicher Aderlass, so die Stadträtin.

Katrin Framke (parteilos), Bezirksstadträtin für Kultur in Lichtenberg, führte das Beispiel „Theater Karlshorst“ an. Der große Bühnenbau der Roten Armee sei trotz jüngster Sanierung gefährdet. Die Konzentration von Theatern in Mitte und fehlende Nutzungskonzepte erleichterten eine Neukonzeption für das Haus nicht, so Framke. Sie schlug vor, dass die Bezirke es sich zur Aufgabe machen sollten, für die Fehlstellen „neue kulturelle Schwerpunkte“ zu erarbeiten und diese mit dem Senat zu verhandeln. Der sieht das Problem nun auch: So soll das Thema in den kommenden Bezirkskulturbericht einfließen und im Parlament diskutiert werden. ROLA