FUSSBALL UND ÖKONOMIE: WER LEIDET, KONSUMIERT ZU WENIG
: Klinsmann gefährdet auch die Konjunktur

Jürgen Klinsmann nimmt die Schreckensnacht von Florenz „auf seine Kappe“ und erklärt unverdrossen: „Wir glauben an unsere Spieler.“ Glauben, auch wenn’s absurd ist – das entspricht der selbstgewählten Rolle des Bundestrainers und stützt sich außerdem auf die christliche Tradition. Aber was wird aus unserem Glauben, die wir der christlichen Hoffnung auf bessere Spiele der deutschen Mannschaft entraten müssen und nichts haben als den grauenhaften Augenschein des deutschen Spiels? Und die wir nicht umhinkommen, den weitreichenden Folgen des Desasters ins Auge zu sehen? Die Rede ist konkret von den Folgen für die angekündigten positiven Auswirkungen der Fußballweltmeisterschaft auf Deutschlands Ökonomie.

Vor dem fatalen Mittwochspiel wurde von fachkundiger Seite, beispielsweise dem Bochumer Sportökonomen Kurscheidt, ausgeführt, seinen Schätzungen zufolge werde die WM dem deutschen Brutto-Inlandsprodukt bis 2010 ein Plus von 8 Milliarden Euro bescheren. Die Grundidee war doch, dass zwei sich gegenseitig potenzierende Faktoren, die anspringende Konjunktur und eben die weltmeisterschaftliche Begeisterung, die deutsche Wirtschaft zum selbsttragenden Wachstum führen sollten. Jetzt bricht der eine Faktor weg, jetzt weicht die Euphorie der Depression. Nicht nur, dass die sicher geglaubten Erwartungen der WM-Wachstumsbranchen von der Sportindustrie bis zum Dienstleistungssektor ins Aschgraue sinken. Allenfalls können Gastronomie und Einzelhandel noch hoffen, dass aus Verzweiflung massenhaft zur Flasche gegriffen wird. Aber weit darüber hinaus wird so mancher Unternehmer, der bislang vom allgemeinen, im Geschäftsklima-Index des Ifo-Instituts nachlesbaren Optimismus angesteckt war, von der schon beschlossenen Investition zurückschrecken. Alles Psychologie.

Wie aus dem Tief herauskommen? Da hilft nur höchster Einsatz – unsere Bundeskanzlerin muss sich einschalten. Hat sie doch, die Komplexität von Fußball und Wachstum treffend analysierend, kürzlich schon erklärt: „Die Faszination Fußball hat viele Facetten.“ CHRISTIAN SEMLER