Friede über den Wörterbüchern

Die Kultusminister beschließen 26 Jahre nach Beginn der Rechtschreibreform Verbesserungen. Ob das auch der Schlusspunkt unter dem Wörterkrieg ist, entscheiden allerdings die Ministerpräsidenten. Schulbuchverlage: Keine vermehrten Neudrucke

AUS BERLIN SARAH STEFFEN

Die Verwirrung hat ein Ende: 26 Jahre nach der Einsetzung des „Internationalen Arbeitskreises zur Rechtschreibreform“ und 10 Jahre nach der Protesterklärung von 100 Schriftstellern haben die Kultusminister gestern neue Schreibregeln beschlossen. Vorbei die Zeiten, in denen für Schüler verschiedener Länder auch unterschiedliche Schreibvarianten galten. „Ich bin erleichtert, dass der Rechtschreibfrieden einstimmig hergestellt wurde“, sagte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Ute Erdsiek-Rave, der taz. Sogar die FAZ, die seit 2000 die alten Regeln befolgt, will die Änderungen „sorgfältig prüfen“.

Dem gestrigen Schlusspunkt war ein jahrelanger Streit vorausgegangen. Seitdem im Juli 1996 eine Expertenkommission vereinfachte Schreibregeln veröffentlicht hatte, tobte ein erbitterter Krieg zwischen Reformern und Bewahrern. Forderten die einen radikale Reformen wie die konsequente Kleinschreibung, strebten andere teils mit Hilfe von Volksabstimmungen die Rückkehr zur „bewährten Schreibung“ an.

Am prominentesten war die vielfache Änderung des „ß“ zu „ss“, die sich schnell durchsetzte. Probleme bereiteten vor allem die Regeln des Getrennt- und Zusammenschreibens, weil sie oft den Sinn entstellten. Die Kultusminister richteten dann 2004 den Rat für deutsche Rechtschreibung ein, der jetzt etwa die Regeln zur Getrenntschreibung weitgehend zurücknahm. Diese Empfehlungen hatte der Schreib-Rat den Kultusministern am Montag überreicht. Die neuerlichen Änderungen betreffen die besonders strittigen Teile: Getrennt- und Zusammenschreibung, Groß- und Kleinschreibung sowie Zeichensetzung und Silbentrennung (siehe links).

Ab Herbst 2006 wird es in Deutschland wieder eine einheitliche Rechtschreibung geben, weil nun auch Bayern und Nordrhein-Westfalen zustimmten. Die beiden Länder hatten sich damals geweigert, die neuen Regeln 2005 auch für die Benotung in den Schulen in Kraft zu setzen. Vereinzelt werden auch jetzt mehrere Schreibvarianten möglich sein. Für die Schulen gilt bei den Korrekturen erneut eine einjährige Übergangsfrist.

Die letzten Änderungen der Reform erfordern keine umfänglichen Neudrucke von Schulbüchern. „Die meisten Bücher können Stück für Stück durchgegangen und dann beim Nachdruck überarbeitet werden“, sagte Irina Pächnatz vom marktführenden Cornelsen-Verlag der taz. Der Verband der Schulbuchverlage kündigte eine Übergangszeit von mehreren Jahren an. Die ersten komplett neuen Sprachbücher stünden aber bereits zu Beginn des neuen Schuljahres nach den Sommerferien zur Verfügung.

Ehe der Friede über den Wörterbüchern einziehen kann, ist auch nach dem Erfolg der Kultusministerkonferenz eine letzte formale Hürde zu überwinden: Die Ministerpräsidenten der Länder müssen am 30. März zustimmen. Daher zeigten sich die Kultusminister bis zuletzt nervös, ob die Sprachreform gelingt. Der Kultusminister aus Sachsen-Anhalt, Jan-Hendrik Olbertz, etwa riet seinen Kultuskollegen: „Wir machen so was nie wieder.“