ULRIKE HERRMANN ÜBER DIE SOLI-ABSCHAFFUNG
: Die deutsche Lieblingsdebatte

Offenbar wird im Osten anerkannt, dass die Straßen mit den West-Trassen konkurrieren können

Wer wird Kanzlerin im Jahr 2019 sein? Bestimmt nicht Angela Merkel. Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle dürfte längst im Ruhestand weilen. Es ist bizarr, dass sich der Wahlkampf 2013 neuerdings mit der Frage beschäftigt, ob der Solidarzuschlag 2019 abgeschafft werden könnte.

Zudem bringt der Solidarzuschlag nicht besonders viel: 13,6 Milliarden Euro spült er jährlich in die Kassen des Bundes. Da ist zum Beispiel die Tabaksteuer ergiebiger, die dem Bund 14,1 Milliarden Euro im Jahr beschert. Aber Zigaretten eignen sich eben nicht für eine Symboldebatte, während beim Soli die deutschen Lieblingsthemen verhandelt werden können: Wie stehen Ost und West zueinander? Wie halten es die Bundesbürger mit den Steuern und dem Staat?

Was auffällt: Der empörte Aufschrei aus dem Osten blieb bisher aus. Offenbar wird dort anerkannt, dass man aufgeholt hat und die Ost-Autobahnen mit den West-Trassen konkurrieren können. Gleichzeitig hat sich das Konzept von „Investitionslücke“ verändert: Wurde der Mangel früher nur jenseits der Elbe ausgemacht, so dringt nun ins Bewusstsein, dass in Ost wie West zu wenig investiert wird. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat ausgerechnet, dass bei den Investitionen eine Lücke von 75 Milliarden Euro pro Jahr klafft.

Investitionen aber sind die Zukunft. So ist die Energiewende nur möglich, wenn neue Netze gebaut werden, um Windräder und Solarpaneele anzuschließen. Auch Kindergärten fehlen noch immer. Gebraucht wird also ein neuer Soli – für ganz Deutschland.

Viel Fantasie wäre nicht nötig. Man müsste nur die Ursache beheben, warum der Staat so wenig investiert – und die Steuerreformen zurücknehmen, die einseitig die Spitzenverdiener entlastet haben.

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