Jugend scratcht

Endlich akzeptiert: Der Förderwettbewerb „Jugend musiziert“ öffnet sich der Popkultur und führt einen DJ-Contest ein. In zwei Wochen mixen DJs in Köln um einen Auftritt beim Festival „c/o pop“

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Die Welt ist voller grausamer Neologismen. Und Tag für Tag kommen welche hinzu. So auch dieser hier: Rillengrillen. Fragt man das Internet, also Google, was es über Rillengrillen weiß, fragt Google erstmal zurück: „Meinten Sie: Riesengrillen?“ Nein. Also antworten wir uns selbst: Rillengrillen heißt der DJ-Contest bei „Jugend musiziert“, der dieses Jahr erstmalig durch das Studio 672 im Kölner Stadtgarten wummert. „Jugend musiziert“ und ein DJ-Contest? Sonderbar.

Bisher wollten einem bloß adrette Buben mit Geige oder Mädchen mit Querflöte und Mega-IQ zwischen den Zöpfen einfallen, wenn von „Jugend musiziert“ die Rede war. Aber man lässt sich ja belehren. So wurden bei dem Förderwettbewerb bereits in den vergangenen Jahren Keyboard und E-Gitarre akzeptiert, was, wenn es der Generaldirektor des Landesmusikrats NRW erzählt, fast nach einer Revolte klingt. Mit dem DJ-Contest wolle man nun der „gesellschaftlichen Entwicklung“ folgen, sagt Robert von Zahn. „Pseudo-Jugendoffenheit“ vorzugaukeln oder gar populistisch zu wirken, darum gehe es natürlich nicht.

„Jugend musiziert“ wird seit Anfang der Sechzigerjahre jeweils als Bundes-, Landes- und Regionalwettbewerb veranstaltet. Der Landeswettbewerb NRW ist nun einer von zweien, der die Popkultur ins Boot holt. Eigentlich. Zwar sollten auch in Berlin DJs an den Turntables stehen, das ist aber mangels Interesse gescheitert. Gerade in Berlin, wo unzählige DJs rotieren. Da finden sich nicht mal zehn für einen Contest? Okay, könnte man sagen, die Berliner DJ-Generation ist vielleicht mit den Jahren im Dienst ergraut und darf bei einem Jugendwettbewerb wie diesem – wo die Jugend immerhin erst mit 27 endet – nicht mehr teilnehmen. Könnte sein. Wäre aber ziemlich komisch.

Dass für den Contest hierzulande schon vor Anmeldeschluss zehn Bewerbungen vorliegen, ist vielleicht auch ein Indiz dafür, wie intakt und kompakt die junge Kölner DJ-Szene ist. Mit dem Stadtgarten hat sich der Landesmusikrat obendrein einen Laden ausgesucht, der ohnehin einen guten Namen hat. Was hier passiert, zieht rasch seine Kreise. Was vermutlich dazu beigetragen hat, dass der Wettbewerb so gut angenommen wird.

Dass die Kunstform des Plattenauflegens und der entsprechende Wettbewerb, das DJ-Battle, erst jetzt bei „Jugend musiziert“ Einzug halten, zeigt auch, wie lange popkulturelle Strömungen brauchen, bis sie in einem eher konservativen Wettbewerb das Gewand des Anerkannten übergestülpt bekommen. Bei „Rillengrillen“, wo offenbar Griffigkeit das einzige Kriterium für die Auswahl des Titels war, müssen die Kontrahenten eine 15-minütige Kür ausbreiten, müssen scratchen, mixen, die Beats fliegen lassen. Wobei vor allem DJs angesprochen sind, die sich im HipHop umtun – wenngleich auch Techno- oder House-DJs teilnehmen dürfen.

Als lebendes Vorbild steht an diesem Abend jedenfalls die Turntablism-Crew Noisy Stylus an den Plattentellern. Das vier Mann starke DJ-Team funktioniert wie eine normale Band. Jeder DJ der Formation übernimmt ein Instrument, dessen Eigenschaften er an den Plattentellern imitiert. Dafür sind die vier schon reich mit Auszeichnungen dekoriert worden. Und eine Auszeichnung steht auch am Ende von Rillengrillen. Eine Jury aus regionalen DJs kürt einen Sieger. Der Preis: Ein Auftritt beim noch jungen Kölner Elektro-Festival „c/o pop“ im Sommer. Von „Jugend musiziert“ auf die Pop-Bühne. Wer hätte das gedacht. Aber man lässt sich ja belehren.

Rillengrillen, 18. März 2006, 18 Uhr, Studio 672, Köln. Anmeldung bis 10. März 2006, Infos: www.rillengrillen.de