Oops, zu viel gespart

Bildungssenatorin verkauft Verschwinden von 300 Lehrerstellen als zu spät bemerkte Behördentrottelei. Dabei wiesen Personalräte, Elternkammer und die GAL schon 2004 und 2005 darauf hin. Elternkammer-Chef spricht von „Lüge“

von KAIJA KUTTER

Bosheiten begehen Politiker zu Beginn einer Legislaturperiode. So war es im Mai 2004 auch Alexandra Dinges-Dierigs erste Tat als frisch gebackene Bildungssenatorin, die Schulklassen zu vergrößern – und auf diese Weise hunderte von Lehrerstellen als „Spielraum“ für neue Maßnahmen und zur Versorgung von 6.000 zusätzlichen Schülern zu gewinnen. Sie spare keine Lehrer, sondern schichte nur um, versicherte die damals noch parteilose Senatorin stets.

Kritikern, etwa dem Elternkammervorsitzenden Holger Gisch, kamen die Berechnungen im „Lehrerstellenplanentwurf 2004 bis 2008“, der später so in den Haushaltsplan übernommen wurde, von Beginn an fragwürdig vor. „Die Senatorin spart auf einen Schwung 750 Stellen und braucht nicht mal die Hälfte“, mahnte Gisch im Juni 2004. Denn die Mehrbedarfe durch zusätzliche Schüler und neue Ganztagsschulen würden „frühestens in ein bis zwei Jahren“ zu Buche schlagen. Gisch hakte damals in der Bildungsbehörde nach und bekam zur Antwort, die Stellen seien an den Schulen. „Rückwärts betrachtet war das eine Lüge“, sagt Gisch heute, nachdem die Bildungsbehörde nun, nach zwei Jahren des Herumdrucksens, im Schulausschuss Farbe bekannte.

„Wir haben unbeabsichtigt 299 Stellen freigehalten“, fasste gestern Behördensprecher Alexander Luckow den neuen Bericht zusammen. Die Stellen hätten „nur auf dem Papier“ existiert, Geld sei „nie geflossen“. Zusätzlich habe man 155 Stellen wissentlich freigehalten, so dass statt der offiziellen 13.789 nur 13.350 Lehrerstellen real vorhanden waren.

Ursache für diesen Irrtum sei ein altes Verwaltungsproblem: Der Lehrerstellenplan und die konkreten Personalakten seien zwei „getrennte Regelkreise“. Letztere seien erst 2001 von Handakten auf Computer umgestellt worden, was wiederum bis 2004 gedauert habe. Als der Senatorin dieses Ergebnis „nicht schlüssig“ erschienen sei, habe sie nach „Erklärungen für die Differenz“ suchen lassen, was wiederum ein „knappes Jahr“ gedauert habe, so Luckow.

Dies kann, muss aber nicht so gewesen sein. Es ist schon verblüffend, dass den Personalräten bei der jährlichen Organisationskonferenz im Juni 2004 erklärt wurde, dass just 300 ab August durch Pensionierung frei werdende Stellen bis zum 1. Februar nicht nachbesetzt würden. Ferner sollten von 13.766 verfügbaren Stellen 286 gesperrt werden. „Größtenteils ohne ersichtlichen Grund“, wie die damalige Personalrätin Katrin Heinig befand. Luckow versicherte seinerzeit der taz: „Die Stellen sind an den Schulen, da ist nichts gesperrt.“

Eine Formel, die auch sein Vertreter Thomas John im Februar 2005 wiederholte, als die GAL-Schulpolitikerin Christa Goetsch ermittelt hatte, dass die Behörde 442 Stellen im Wert von 28 Millionen Euro hortet. Dieser „Überhang“, erklärte John, „steht den Schulen voll zur Verfügung“. Luckows rückblickende Erklärung: „Das war eine Auskunft aus dem Hause.“

Die Finanzbehörde wollte gestern keine Stellung nehmen, „weil das nicht unsere Zahlen sind“, so Sprecher Sebastian Panknin. Würden Stellen nicht besetzt, bleibe das Geld „im Etat der BBS. Die hat ihr eigenes Budget“. Die Opposition, die das Thema nach den Ferien im Schulausschuss aufklären will, vermutet hingegen, dass hier der Lehrerstellenplan auf verdeckte Weise ausgeplündert wurde.