WARTEN AUF TRALLALA
: Flaschennot

Ein Pfandschein wird nicht zum Lohnschein

„Echte Krise ist, wenn Sonntag ist und die Gropius Passagen haben mal zu.“ In diesen Worten windet sich auf einer Kneipenpostkarte, die im Café „Godot“ in der Kastanienallee ausliegt, der ängstlich gewordene Zeitgeist-Evergreen Konsumismus im lässigen Agentursprech.

Wir sitzen dort herum, in Prenzlauer Berg, und es fühlt sich an, als ob etwas fehlt. Eine handfeste Immobilienkrise zum Beispiel? Wir warten darauf. Durch die Straßen hecheln oder schleichen derweil die Flaschenaufleser. Bei ihnen ist immer Krise. Ohne Anteil zu haben, sind sie stets dabei, wenn ausgegangen wird und Angeduselte 8 oder 15 Cent auf die Gehwege der Vergnügungsstraßen stellen.

In fahriger Starre geht ihr Aufleseblick hektisch umher, Taschen und Tüten klirren. Ertragreich ist das Ganze kaum. Ein Pfandbon wir nicht zum Lohnschein, und jeder Gang, um das Pfand einzulösen, gibt anderen Auflesern Vorsprung auf dem Weg zu den verstreuten Zielen. Um ihn wettzumachen, haben manche ein Fahrrad dabei, an das noch mehr Taschen gehängt werden können.

Die Annahme größerer Flaschenmengen wird in vielen Spätverkaufsstellen verweigert und der Supermarkt in der Kulturbrauerei, mit seiner automatischen Rückgabe, schließt, bevor die lohnenswerten Stoßzeiten des Wochenendes vorüber sind. Außerdem fehlen die beiden Kioske unter dem U-Bahnhof Eberswalder Straße. Umbaumaßnahmen der BVG, Schließung. Da war der große Vorglüh-Sammelpunkt. Irgendjemand konnte dort immer mit einer Plastikwanne oder einem Einkaufswagen stehen und sich bequem die Pfandflaschen reichen lassen.

Es sind also keine guten Zeiten fürs Pfandzubrot. Wenn allerdings im Sommer draußen wieder das bierselige National-Trallala zu Fußballspielübertragungen wütet, müsste sich das geändert haben. NIELS MÜNZBERG