hört auf den Sound der Stadt

FATMA AYDEMIR

Am Kotti stinkt’s. Der Geruch von verbranntem Plastik liegt noch Tage nach vergangenem Sonnabend, diesem unbegreiflich traurigen Abend, an dem Berlins schönster Veranstaltungsort einem hässlichen Feuer erlegen ist, in der Kreuzberger Luft. Aber um es vorneweg zu sagen: Nein, das wird kein Nachruf! Denn tot ist der Festsaal Kreuzberg deshalb noch lange nicht. Eher krank, in komatösem Zustand. Auch wenn der Schock tief sitzt bei den Betreibern, Mitarbeitern und Supportern des Festsaals, so wird es hoffentlich nicht lange dauern bis die Pläne zu einer Reanimation des umsorgten Komapatienten mittels Crowdfunding und tatkräftiger Unterstützung von Freunden des Saals publik gemacht werden. Vorerst müssen aber die geplanten Veranstaltungen in andere Locations verlegt werden, etwa das Konzert der wunderbar verspulten Post-Punk-Bank The Soft Moon am Mittwoch.

Die nordkalifornische Band, die sich erst nach dem Solo-Debüt von Gründer Luis Vasquez (auch schon als The Soft Moon) um diesen formierte, macht bildhafte, klangbasierte Musik, in der Vocals nur eine atmosphärische Nebenrolle spielen. Das aktuelle Soft-Moon-Album „Zeros“ – der Name ist Programm, man besinnt sich auf das Wesentliche à la Ornament is Crime – ist bisher das mit Abstand aufregendste Werk: düster und zugleich lebendig, betäubend, aber nicht gefühllos, spiralenförmig und dennoch direkt genug, um kollektiv darauf abzufahren. Das Stück „Want“ verbindet freie Percussions mit Apokalypsenwahn, „Machines“ dagegen entfaltet einen unterbelichteten Betontunnel, in dem jeder Ton zehnmal zurückhallt und der immer länger wird, je tiefer sich der Hörer hineinzubegeben versucht. „Insides“ setzt dagegen auf gemäßigtes Tempo und Fragilität, ein No-Wave-Song wie aus Glas. Das Konzert von The Soft Moon wird am Mittwoch vom Festsaal ins Lido umgeleitet (21 Uhr, Cuvrystr. 7, 15 €).

Mindestens genauso industriell und düster mutet die Außen- wie Innenansicht des Kraftwerks in der Köpenicker Straße an (siehe Seite 1). Zur selben Zeit wie die Mauer wurde das ehemalige Heizkraftwerk erbaut, das Ostberlin bis 1997 mit Wärme versorgte. Heute finden dort Ausstellungen und Konzerte statt oder beides zusammen in Form des „Berlin Atonal“-Festivals. Das Line-up der Aftershow-Partys, die jede Nacht stattfinden, überzeugt ebenso wie das der Konzerte. Die Closing-Party am Mittwoch etwa steigt nach dem Motto „Mutek vs. Berlin Atonal“ und verortet das renommierte Festival aus Montreal im Kraftwerk, indem es ausschließlich kanadische DJs hinters Pult bittet: Deadbeat, Mike Shannan und Jeff Milligan (1 Uhr, Köpenicker Str. 59–73).