TORSCHUSSTRAINING
: Ich bin Neuner

Er läuft immer wieder an, ich wehre alles ab. Jedes Mal ruft er laut

Mit dem Sohn gehe ich an einem Sonntagnachmittag auf den Fußballplatz, der sich auf der gegenüberliegenden Seite unserer Straße befindet. Ein Verein ist dort ansässig. Zwei, drei Männer stellen vor dem anderen Tor Verkehrshütchen auf. Okay, Slalom mit Ball am Fuß.

„Du gehst ins Tor, ich bin im Sturm“, sagt der Sohn. Er legt sich den Ball zurecht, nimmt Anlauf und zieht ab. Ich bekomme den Ball in den Bauch. Mir bleibt kurz die Luft weg, ich bemühe mich, stehen zu bleiben. Ich fluche leise. „Null zu null“, ruft der Sohn. „Hey“, rufe ich, „du gehst jetzt mal fünf Meter weiter nach hinten!“

Es ist eine ganze Weile her, dass wir zusammen Torschüsse geübt haben. In dieser Jahreszeit ist er fast jeden Nachmittag mit seinen Schülerladen-Kumpels auf einem Bolzplatz, das hatte ich unterschätzt.

Die nächsten Bälle pariere ich. „Ich bin Manuel Neuner!“, rufe ich. Er hält inne. „Weißt du, wer das ist?“, rufe ich. „Ja“, ruft er zurück, „der Beste, aber ich bin Bayern München!“ Er läuft immer wieder an, ich wehre alles ab. Jedes Mal ruft er laut „Scheiße!“. Hinter dem Tor, auf der anderen Seite des Zaunes, hinter dem ein Spielplatz angrenzt, steht plötzlich ein gleichaltriger Junge und sagt: „Das darf man nicht sagen!“ Ich frage ihn, ob er mitspielen wolle. Nein, will er nicht. „Das darf man nicht sagen!“, sagt er noch mal. „Was darf man nicht sagen?“, frage ich. „Scheiße“, sagt er leise. „Jetzt hast du es selbst gesagt, gar nicht so schlimm, oder?“, sage ich. Er nickt schüchtern. Ich frage ihn, ob er doch versuchen wolle, ein Tor zu schießen. „Ich frage Mama“, sagt er und rennt weg.

Wir spielen weiter. Wenig später kommt der Junge um die Ecke auf das Feld gerannt. „Okay“, sage ich, „ihr versucht ein Tor zu machen, alles klar?“ Er nickt, stellt sich direkt neben den Sohn, der ein wenig irritiert wirkt, und brüllt aus voller Kehle „Kacke!“

BJÖRN KUHLIGK