Lehrer reden viel, Schüler lernen wenig

Ein Studie hat untersucht, wie gut Neuntklässler Deutsch und Englisch können. Gymnasiasten bekamen gute Noten, Haupt- und Gesamtschüler schlechte. Ein Grund: Lehrer lassen die Schüler zu wenig sprechen, sondern halten lieber selbst lange Vorträge

AUS BERLIN SARAH STEFFEN

Julia Schmitz mag ihre Englischlehrerin. Der 16 Jahre alten Schülerin gefällt ihr Unterricht, weil die Lehrerin jeden in der zehnten Klasse der Gesamtschule Kürten im Bergischen Land viel selber sprechen lässt. Nicht nur im Englischunterricht, sondern auch in Erdkunde und Geschichte. Das alles gehört zur Idee des bilingualen Zweigs der Schule. „Wenn wir Hausaufgaben kontrollieren, fragt sie uns zuerst, ob wir den Fehler selber finden“, sagt Julia.

Julias Klasse ist die Ausnahme. Zu dem Schluss kommt jedenfalls die Studie „Deutsch Englisch Schülerleistungen International“ (Desi). Das Deutsche Institut für Pädagogische Forschung befragte und testete im Schuljahr 2003/04 etwa 11.000 Schüler der neunten Jahrgangsstufe aller Schularten. Den Englischunterricht filmten die Wissenschaftler zusätzlich. Die Studie im Auftrag der Kultusministerkonferenz der Länder kam zu dem Ergebnis, dass Gymnasiasten in Englisch ein sehr hohes Leistungsniveau erreichen, während in Haupt- und Gesamtschulen große Defizite bestehen. Nur ein Drittel dieser Schüler erreichte das Ziel, das die EU für die Klassenstufe vorgibt. Auch im Deutschunterricht hapere es. So konnten nur etwa die Hälfte der Haupt- und Gesamtschüler einen Brief formulieren, in dem sie ohne Probleme ihr Anliegen verständlich machten.

Dass Pädagogen anders als die Lehrerin von Julia Schmitz zu viel sprechen und die Schüler zu wenig zu Wort kommen, ist die Kernaussage der Videoaufzeichnungen. „Viele Lehrer sind sich der Tatsache, wie sie durch ihr Sprechen den Unterricht dominieren, gar nicht bewusst“, erklärt der Universitätsprofessor Andreas Helmke. So hatten sie direkt nach der Stunde die Lehrer gefragt, wie lange sie ihrer Einschätzung nach geredet hätten. Realität und Sicht des Lehrers klafften oftmals weit auseinander. Anhand der Videoaufzeichnungen lässt sich nachweisen, dass die Lehrer im Durchschnitt doppelt so viel sprechen wie alle Schüler zusammen. Außerdem werde meist nicht länger als drei Sekunden auf eine Schülerantwort gewartet. „Der lehrerzentrierte Unterricht ist nicht ausreichend effektiv“, fasst die Präsidentin der Kultusministerkonferenz Ute Erdsiek-Rave (SPD) die Ergebnisse zusammen.

Erfolgreicher Unterricht basiert laut der Studie darauf, dass konsequent Englisch gesprochen wird, Schüler viel sprechen, Lehrer auf Antworten länger warten und ihre Schüler Fehler selbst korrigieren lassen. „Es kommt nicht darauf an, viele Methoden anzuwenden, sondern die qualitative Interaktion ist entscheidend“, sagt Eckhard Klieme, der Direktor des Instituts. Reden, reden, reden ist also die Devise.

Schüler, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, haben es im Fach Deutsch laut der Studie nur schwerer, wenn bei ihnen zu Hause nicht Deutsch gesprochen wird. Diejenigen, die mehrsprachig aufwachsen, also etwa mit Deutsch und Türkisch, liegen kaum hinter den Deutschsprachigen zurück. Und weil diese Schüler bereits Deutsch als Fremdsprache erlernt haben, fällt ihnen das Englischlernen leichter. Durch bilinguale Angebote, so wie Julia sie nutzt, erreichen die Schüler schneller ein höheres Englischniveau.

Nach Auffassung der Kultusminister müssen die Lehrer an Haupt- und Gesamtschulen besser aus- und weitergebildet werden. 30 Prozent der Hauptschullehrer unterrichteten zurzeit fachfremd, das heißt, sie lehren ein Fach, das sie nicht studiert haben. Der bilinguale Unterricht soll ausgebaut werden. Neben der Schule haben aber auch die Eltern Verantwortung: Dort, wo Schulen und Eltern in engem Kontakt stünden, lernten die Schüler nämlich schneller.