Bericht: Festgenommener Talib verhandelte

AFGHANISTAN Talibanführer Mullah Baradar, die Nummer zwei in der Hierarchie, soll mit der Regierung in Kabul Geheimgespräche geführt haben, als er im Februar in Pakistan Geheimdiensten ins Netz ging

BERLIN taz | Die afghanische Regierung hat mit dem stellvertretenden Talibanführer geheime Verhandlungen geführt, als dieser am 8. Februar in Pakistans Hafenstadt Karatschi festgenommen wurde. Dies enthüllte die Nachrichtenagentur AP am Dienstag unter Berufung auf „mehrere Gewährsleute“ der Kabuler Regierung, die ungenannt bleiben wollten. Präsident Hamid Karsai sei „sehr wütend“ gewesen, als er von der Festnahme Mullah Abdul Ghani Baradars erfahren habe, sagte ein Karsai-Berater in Kabul laut AP.

Baradar habe demnach auch an einer von Karsai für April geplanten Friedensversammlung aller gesellschaftlichen und ethnischen Gruppen teilnehmen wollen. Laut AP bestätigte diese Angaben auch Abdul Hamsi, der Sicherheitsberater des Gouverneurs der südlichen Kriegs- und Drogenprovinz Helmand. Die Versammlung zählt neben einem Reintegrationsprogramm zu den Kernstücken von Karsais Versöhnungspolitik gegenüber bewaffneten Regierungsgegnern. Bisher haben die Taliban Verhandlungen mit der Regierung immer offiziell abgelehnt, solange die ausländische Truppen nicht aus Afghanistan abziehen. 2009 gab es jedoch Vorgespräche von Vertretern der Regierung und dem Umfeld der Taliban sowie der Hisb-e Islami des Warlords und früheren Premiers Gulbuddin Hekmatjar in Saudi-Arabien. Baradar soll die Gespräche gutgeheißen haben. Ende Januar wurde bekannt, dass auch der inzwischen pensionierte UN-Missionschef in Kabul, der Norweger Kai Eide, schon mehrfach Vertreter der Taliban traf.

Der in einer gemeinsamen Aktion des pakistanischen und amerikanischen Geheimdienstes festgenommene Baradar gehört zum gleichen Popolzai-Stamm des paschtunischen Durrani-Clans wie Präsident Karsai. Welche genauen Umstände zu seiner Festnahme führten, sind unklar. Es wird über ein Zerwürfnis zwischen ihm und dem Taliban-Führer Mullah Mohammed Omar spekuliert wie auch darüber, dass der pakistanische Geheimdienst aus Sorge um seinen Einfluss eine mögliche Annäherung zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban torpedieren wollte. Denkbar ist auch, dass US-Vertreter Gespräche zu einem Zeitpunkt, in dem die Taliban militärisch stark sind, ablehnen.

US-Medien zufolge ist die US-Regierung in der Frage uneins, ob Verhandlungen mit der Talibanführung überhaupt sinnvoll sind oder erst dann, wenn die Aufständischen militärisch geschwächt sind. SVEN HANSEN