Schatten der Industrialisierung

Das Essener Ruhrlandmuseum zeigt die Historie der Firma „Topf & Söhne“, den Ofenbauern von Auschwitz

Noch vor rund zehn Jahren gab es die Maschinenbau-Firma, die Verbrennungsöfen in die Vernichtungslager geliefert hat. 1994 ging die „VEB Erfurter Mälzerei- und Speicherbau“ in Insolvenz. Die Geschichte der Firma „J. A. Topf und Söhne“ (von 1878) war damit beendet. Nicht die Erinnerung an die Techniker des Holocaust. Das Essener Ruhrlandmuseum beleuchtet seit gestern mit der Ausstellung „Ein ganz normales Unternehmen“ einen wenig beachteten Aspekt der deutschen Industriegeschichte. „Wir wollen auf die Schattenseite der Industrialisierung hinweisen“, sagt Ulrich Borsdorf, der Direktor des Ruhrlandmuseums.

„Merkwürdig ist, dass das Unternehmen keineswegs nationalsozialistisch geprägt war“, sagt Rikola-Gunnar Lüttgenau von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, die die Wanderausstellung initiierte. Sowohl so genannte Halb-Juden als auch Kommunisten hätten für das Erfurter Unternehmen gearbeitet. Es gab sogar eine straff organisierte KPD-Betriebszelle, die Flugblätter verteilte und für die russischen Zwangsarbeitern Essen organisierte. Dennoch war es auch unter den Mitarbeitern kein Geheimnis, dass Topf & Söhne Krematorien für die SS baute. Als die im Oktober 1941 das Lager in Auschwitz erweitern wollte, bot Topf & Söhne ein riesiges Krematorium mit insgesamt fünfzehn Verbrennungskammern an. Die SS war begeistert und bestellte gleich mehrere.

Als die Amerikaner in Erfurt einmarschierten vergiftete sich Ludwig Topf, einer der beiden Eigentümer. Ernst-Wolfgang Topf setzte sich in den Westen ab, wo er sich von einer Spruchkammer entnazifizieren ließ und in Wiesbaden seine Firma neu gründete. Er baute bis 1963 Krematorien. Die ehemalige Firmenleitung von Topf & Söhne sowie die beteiligten Mitarbeiter stritten immer eine eigene Schuld und Mitverantwortung an den Verbrechen ab, im DDR-Folgebetrieb versuchte man, jede Mitverantwortung auf die kapitalistischen Firmeneigentümer abzuwälzen.

Essen ist die letzte Station der Wanderausstellung. Die Stadt Erfurt plant, die Dokumentation anschließend dauerhaft am einstigen Firmensitz zu zeigen.

PETER ORTMANN

Bis 25. Juni 2006Infos: 0201-8845200