NRW hält sich bedeckt

Vornehm zurückhaltend reagieren Schulexperten auf die Forderung des Islamforum NRW, Nacktfotos aus der Sexualkunde zu streichen und die Geschlechter im Sport- und Schwimmunterricht zu trennen

VON NATALIE WIESMANN

Schulministerin Barbara Sommer (CDU) lehnt es ab, Jungen und Mädchen im Schwimm- und Sportunterricht zu trennen. „Das ist nicht praktikabel“, sagt ihr Sprecher Andrej Priboschek der taz. „Außerdem haben auch wir lang gewachsene Traditionen, die wir nicht einfach aufgeben können.“

Das Schulministerium reagiert damit auf eine Forderung des Islamforum NRW, einem landesweiten Zusammenschluss islamischer Verbände. Sie hatten sich auch gewünscht, dass in der Sexualkunde zukünftig statt Nacktfotos „stilisierte Darstellungen“ gezeigt werden.

Doch der Sprecher der Schulministerin warnt vor einer aufgebauschten Diskussion: „Dass Eltern ihre Kinder wegen Sexualkunde oder Sportunterricht nicht in die Schule schicken, ist kein überbordendes Problem“, sagt Priboschek. Er gehe aber davon aus, dass die LehrerInnen gegenüber ihren muslimischen SchülerInnen sensibilisiert seien und vor Ort bei den Eltern Ängste abbauten.

Zurückhaltender reagieren die Lehrerverbände: „Man muss die Vorschläge zur Kenntnis nehmen und schauen, was machbar ist“, sagt Andreas Meyer-Lauber, NRW-Vorsitzender der Lehrergewerkschaft GEW. Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbandes für Bildung und Erziehung in NRW, sieht die Errungenschaften der sexuellen Aufklärung nicht in Gefahr. „Es gibt keine einheitliche Meinung unter Muslimen, es sind nicht alle gegen den Sexualunterricht.“ Intoleranz entstünde in der Regel außerhalb von Schulen, so Beckmann, und würde von dort in die Schulen hinein getragen: „Auslöser sind nicht die Haltungen der Kinder, sondern das, was sie in der Erwachsenenwelt hören und aus aufgeheizten Darstellungen in den Medien wahrnehmen“, sagt er.

Das kann auch Tayfun Keltek, Vorsitzender der kommunalen Migrantenvertretungen in NRW bestätigen. „Die Diskussion ist künstlich“, sagt er, der hauptberuflich als Sportlehrer an einer Realschule in Köln arbeitet. Es sei für die meisten LehrerInnen kein Problem, in der jeweiligen Situation Rücksicht auf die muslimischen SchülerInnen zu nehmen, so Keltek. Und die Geschlechtertrennung im Sport- und Schwimmunterricht hält er für sinnvoll, „weil Jungen und Mädchen oft unterschiedliche Interessen haben“. Seine Kollegin und er praktizierten die Trennung schon seit vielen Jahren.

Echten Rückenwind bekommt das Islamforum vom Elternverein NRW: „Wir unterstützen die Vorschläge hundertprozentig“, sagt die Vorsitzende Regine Schwarzhoff der taz. Die Trennung von Geschlechtern im Sportunterricht halte sie für sinnvoll, „das könnte man auch für andere Gebiete ausweiten“. Auch der Umgang der Schule mit Sex gefalle den 2.000 von ihr vertretenen Eltern nicht. „Es werden zu viele Texte mit sexuellen Inhalten gelesen.“ Der sich weltanschaulich und konfessionell unabhängig nennende konservative Verein hält auch nichts von der Aufklärung über Homosexualität durch Schwulen- und Lesbenverbände in den Schulen: „Die Schüler werden in einer sensiblen Phase zur Homosexualität animiert. Das lässt sich schlecht wieder rückgängig machen“, so Schwarzhoff.