SERVICECENTER BERLIN-TEGEL
: Ohne Mitleid

Nur die Callcenterfrau ist nett. Sie sitzt wohl nicht in Deutschland

Die Reise an den Atlantik steht: Flug ab Tegel nach Frankfurt. Umsteigen nach Paris. Weiter mit dem TGV. Kann eigentlich nix mehr schiefgehen. Geht aber doch, und zwar gleich am Anfang. Die Lautsprecher im Flugzeug versagen. Alle wieder raus.

Im Terminal nur Durcheinander. Keine Durchsage. Eine offiziell Aussehende rät, am Lufthansa-Counter umzubuchen. Leider warten da Dutzende, und nur jeder zweite Schalter ist besetzt. Die Zeit verrinnt, bis durchsickert, das Flugzeug sei repariert. Soll man für ein Gerücht die Schlange verlassen? Der Herdentrieb siegt. Während alle erneut durch den Sicherheits-Check drängen, spielen die Kontrollettis ihre Macht aus. Keiner rührt einen Finger zu viel, einer pfeift. Dann stockt es, weil der Röntgenmaschineneinweiser einen meiner Leidensgenossen länglich belehrt, und ich frage den Pfeifer, ob er ein paar Wartende vorlassen könne. „Det jeht hier der Reihe nach“, blafft er, und als ich wage, die Effizienz dieser Methode anzuzweifeln, ätzt er laut: „Wie findet ihr’n det? Ick mach mein’ Job nich richtich!“ Seine Kollegen hören gleich auch auf zu tun, was sie tun, wie Busfahrer, die den Motor ausschalten, wenn ein Fahrgast meckert. Ich halte den Mund.

Das Chaos geht weiter. Die Umbucherei hat eine Familie auseinandergerissen, die Mutter gestikuliert verzweifelt hinter Glas. Aber die Abfertigerin, die uns in Schach hält, ist so humor- wie mitleidlos, blafft ein Kind an, das ihre heilige Sperre ignoriert, antwortet einem schwitzenden Flugbegleiter, der sie bittet, wenigstens mal was durchzusagen: „Machen Sie doch. Ich muss telefonieren.“

Drecksflughafen, verkackter. Drecksmentalität. Nur die Callcenterfrau, die ich in der Not anrufe, ist nett, sie sitzt wohl nicht in Deutschland. „Es wird knapp, aber Sie kriegen den Anschluss“, sagt sie und klingt wie ein Mensch. Dass es nicht stimmt, ist fast egal. CLAUDIUS PRÖSSER