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Archiv-Artikel

„Nicht jede Wiese ist ein Garten“

MILCH UND HONIG Das Gartenkultur-Musikfestival geht in die 11. Runde. Stilistisch gibt es überwiegend gediegene Klänge zwischen Klassik, Jazz und Blues. Die meisten Konzerte sind gratis, manchmal gibt es auch biblische Kost

Das Festival braucht keine intendantische Alleinherrschaft, um alljährlich in stilistischer Stringenz neu zu erstehen

VON ANDREAS SCHNELL

Mit Milch und Honig lockte laut Bibel einst Mose das auserwählte Volk aus der Gefangenschaft in Richtung Heiliges Land. Weshalb das Programm des Gospelchors am Bremer Dom am 18. August im Bibelgarten im Rahmen des Gartenkultur-Musikfestivals unter dem Titel „Milch und Honig“ am 18. August steht. Henner Flügger, Bremer Domprediger, betont, die Kirche sei ja in gewisser Weise „Urvater aller Gärten“, Eden im Sinn. Letzterer ist allerdings und bekanntlich ein Garten, in den bislang kein Weg wieder hineinführte, während beim Gartenkultur-Musikfestival der Eintritt in aller Regel frei ist. Den Zustand der glücklich-nackten Erkenntnislosigkeit wird das Publikum des Konzerts mit „Milch und Honig“ gleichwohl kaum erreichen. Schließlich ist nicht zu erwarten, dass das angekündigte Buffet mit „biblischen Speisen“ ausreichend (wenn überhaupt) Manna für alle bietet. Immerhin: Produkte des hauseigenen Gartens, wie Feigensenf mit Feigen aus dem Bibelgarten und Honig von ebendort, soll es laut Flügger geben.

Damit steht das Konzert beim Dom beispielhaft für das Festivalprogramm, bei dem die Gartenkultur nicht ohne Grund vor dem Musikfestival steht. Das Konzept bürgt für eine gewisse Gediegenheit, die Jugend treibt sich derweil im Sommer eher auf den großen Festivals rum, bei denen das Ambiente in der Regel eher drittrangig ist (die Belegung der ersten beiden Ränge können Sie sich denken). Die Zielgruppe des jährlichen Freiluftvergnügens des Kommunalverbunds Niedersachsen Bremen e. V. ist doch eher gereift, was wiederum dafür spricht, eher populäre Klassik, gut abgehangenen Jazz oder traditionellen Rockabilly zu servieren.

So braucht das Gartenkultur-Musikfestival auch keine intendantische Alleinherrschaft, um alljährlich in stilistischer Stringenz neu zu erstehen. Was sich angesichts der Tatsache, dass hier jeder Veranstalter für sein Programm vor allem selbst verantwortlich ist, ja nun auch nicht von selbst versteht. Auf Nachfrage beim Pressetermin im, je nach Geschmack, himmlisch oder höllisch heißen Bibelgarten wurde immerhin die theoretische Option eingeräumt, dass im Rahmen des Gartenkultur-Musikfestivals auch eine, sagen wir mal, Punkband nackt auftreten könnte. Das würde bei Bedarf in der Planungsgruppe diskutiert werden, erläuterte Edgar Wöltje, stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe Kultur im Kommunalverbund und selbst einer der Veranstalter des Festivals. Schließlich lege die kollektive Intendanz, die sich aus der Eigenverantwortlichkeit der Veranstaltenden ergibt, Wert auf ungewöhnliche, innovative Projekte.

Ungewöhnlich ist derweil natürlich ein recht relativer Begriff. Ein Gospelchor im Bremer Bibelgarten? Die Rockabilly-Band The Dukes im Rathausgarten von Schwanewede? Immerhin: Ungewöhnlich sind auf jeden Fall nicht selten die Spielorte. Der Bibelgarten zum Beispiel, den viele Bremerinnen und Bremer womöglich noch gar nicht kennen. Oder die Burginsel in den Delmenhorster Graftanlagen. Oder Vehrings Garten in Syke in der hügeligen Landschaft des Hachetals. Oder die Klosterruine in Hude. Nicht nur, weil hier sonst nur selten die Musik spielt. Und, wir deuteten das bereits an, die Gärten sind eben eigentlich auch die Hauptdarsteller des Festivals. „Nicht jede Wiese ist ein Garten“, betont Susanne Kreber, Geschäftsführerin des Kommunalverbunds. Bremen ist dieses Jahr übrigens mit gleich drei neuen Veranstaltungsorten dabei: Erstmals vertreten sind das Licht-Luft-Bad, die Obstwiese am Bürger- und Sozialzentrum Huchting und Kränholm in St. Magnus.

Allerdings lohnt sich natürlich auch dieses Jahr der Blick ins Umland. Der Auftritt des steiermärkischen Trios Netnasikum beispielsweise dürfte reichlich unterhaltsam sein. Zwei Violinistinnen und eine Cellistin, die allesamt auch stimmlich einiges zu bieten haben, spielen sich am 4. August im Innenhof des einstigen Künstlerhofs Höge in Bassum unverfroren durch ein Repertoire aus Deep-Purple-Klassikern, alpenländischer Folklore, Jazz und Klassik.

Reizvoll klingt auch das Programm der Formation Huldrelokkk, die unter dem Titel „Trolldans im Hochzeitswald“ skandinavische Folklore spielt. Ebenfalls charmant dürfte das Konzert des „breezy-art-ensemble“ werden, das am 11. August in Kränholm spielt. Renaissance- und Barockmusik werden auf verschiedenen Blasinstrumenten (was den Namen erklärt) mit heutigen Stilen verwoben. Und wer die Pogues vermisst, kann sich am 23. August mit den Irish Bastards trösten, die im Garten der Mühle Lübberstedt in Hambergen auftreten. Aber auch sonst gibt es einiges zu entdecken, selbst wenn es nicht das Paradies sein sollte. Aber wer weiß – von dem kursieren schließlich höchst unterschiedliche Vorstellungen.

■ 2. bis 31. 8., Bremen und umzu,

www.gartenkultur-musikfestival