Eine Nase für Qualität

NRW-Kulturchef lobt bei der Eröffnung des Theaterzwang die Jugend und die Freie Szene über den grünen Klee

Die Bühne glimmt im grünen Licht. Der Konfettie-Regen rieselt rot von der Decke. Farblich war das keine gute Kulisse für NRW-Kultur-Staatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU) bei der Eröffnung des Theaterzwang Festival in Dortmund. Und als Schirmherr des 12. Festivals der Freien Theater im Land musste er diesen Termin zwangsläufig wahrnehmen. Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer (SPD) fehlte, auch Dortmunds Kulturdezernent Jörg Stüdemann (SPD). Den OB vertrat Bürgermeister Adolf Miksch (CDU). Die Christdemokraten waren also unter sich.

Dafür hatte der Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei den ganz großen Kulturbeutel dabei. Die neue Landesregierung hält Wort. 20 Prozent mehr im NRW-Kulturetat. Runde 500.000 Euro mehr für die Freie Szene. „Das ist ein deutliches Zeichen“, sagt Grosse-Brockhoff. Man habe eben unglaublich viel nachzuholen. Das Publikum aus der Theaterszene begeistert sich still, der Kuchen wird innerlich sicher schon verteilt. Beifall gab es für den Theaterkenner natürlich auch. Der Ex-Kulturdezernent von Düsseldorf kommt gerne in die Off-Szene. Hier sei „die Zukunft des Theaters“, nicht in den Ozeandampfern der Stadt-Theatern. Ein Besuch im Schauspielhaus der Landeshauptstadt – an dem das Land immerhin zur Hälfte beteiligt ist – wäre für ihn an diesem Sonntagabend eher Zwang gewesen, eine nette Anspielung auf das Festival, deren Namen „Theaterzwang“ er für einen absoluten Marketing-Glücksgriff hält.

Das gleich die Hälfte der ausgewählten Produktionen auch für Kinder und Jugendliche geeignet sind und das es eine richtige Jugendjury gibt, die auch noch über Tausende Euros entscheidet, das passt der neuen Landesregierung genau ins Konzept. „Wachstümer im Kulturbereich sind wesentlich abhängig von Kinder und Jugendlichen“, sagt Grosse-Brockhoff. Die müsse man so schnell wie möglich „mit unseren kulturellen Tradition und der Avantgarde“ bekannt machen. Der NRW-Kulturchef plädiert dafür beim nächsten Theaterzwang 2008 die Hälfte der Produktionen gleich von Jugendlichen auswählen zu lassen: „Die wissen nämlich genau was ihnen gefällt und haben ein Nase für Qualität“. Überhaupt sollte viel mutiger das Experiment gesucht werden.

So richtig avantgardistisch wurde der Abend dann ausgerechnet doch nicht. 105 Minuten in Zeitlupe sind selbst für ein Fußball-Endspiel zu lang. Das Kölner a.tonal.theater zeigte „Wir im Finale“ – ein deutsches Requiem, in dem Standardsätze aus der Sportsprache den Text ersetzen und das Spiel der 22 Mannen mit einem Ball als Spiegel gesellschaftlicher Prozesse dienen sollte. So ganz schlüssig war das nicht und viele Fußball-Nichtinteressierte gaben auch in der Halbzeit bereits auf. Die fußlahme Choreografie, „Jetzt geht es los“-Gesänge und der glückliche Sieg am Ende konnten sie nicht im Theater im Dortmunder Depot halten. PETER ORTMANN