Der Radfahrer

Was hat Rudolf Scharping (Foto) nicht alles ertragen müssen: den Spott der Titanic über seine Kanzlerkandidatur („So mancher, der nicht schlafen kann, der hört sich Zieges Reden an“), den Putsch Lafontaines auf dem Mannheimer Parteitag 1995, die Skepsis über seinen Hufeisenplan im Kosovokrieg und schließlich das politische Aus nach den Planschbildern mit Gräfin Pilati auf Mallorca, die den Westerwälder als mondänen Minister zeigen sollten.

Eine zweite Chance 2005 als Präsident des deutschen Radsportverbandes BDR. Dann der Schock für Scharping: Im Radsport wird gedopt. Der BDR-Chef fährt seitdem einen gepflegten Schlingerkurs, wenn es um Konsequenzen geht. Scharping beschwichtigt, weicht aus – und lamentiert. Als in diesem Jahr deutsche Fahrer erstmals seit Jahren wieder Erfolge bei der Tour de France feierten, forderte er umgehend ARD und ZDF auf, wieder mehr zu berichten. „Die 100. Tour de France hat gezeigt, dass sich im Radsport etwas verändert hat“, verkündete er. Als wäre der britische Toursieger Christopher Froome nicht die Berge so verdächtig locker hochgekraxelt wie weiland Lance Armstrong.

Am Mittwoch legte die französische Antidopingkommission ihren Bericht über Nachkontrollen der Tour 1998 vor. Demzufolge haben zahlreiche Fahrer mit Epo gedopt. Scharping sprach von „einem weiteren Beleg für das verseuchte Jahrzehnt. Für die Gegenwart und die Zukunft des Radsports hat dies keine Bedeutung.“ Als „Nestbeschmutzer“ hatte Scharping, bei der Tour 1998 als Bild-Kolumnist unterwegs, Journalisten beschimpft, die damals schon großzügiges Doping vermutet hatten. Die Nestbeschmutzer haben recht behalten. MARTIN REEH