Wissenstransfer ohne Plan

Die Universitäten bereiten ihre Studierenden zu wenig auf eine mögliche Selbstständigkeit vor, kritisieren die Grünen. Vor allem für Geistes- und Sozialwissenschaftler sollten Beratung und Förderung ausgebaut werden

Berlin gilt als Hauptstadt der Existenzgründer: Das Statistische Landesamt meldete allein im vergangenen Jahr mehr als 11.100 Unternehmensgründungen. Dabei besteht der Großteil der Gründer aus Ich-AGs. Die meisten von ihnen sind Akademiker und stammen aus so genannten technologiefernen Branchen, also aus Kunst, Kultur, Medien und dem sozialen Bereich. Die Idee zur Selbstständigkeit entsteht im Regelfall erst nach dem Studienabschluss, aus drohender oder bestehender Arbeitslosigkeit heraus.

Berlins Hochschulen sollen die Studierenden deshalb künftig besser und vor allem früher auf die Selbstständigkeit vorbereiten, finden die Grünen. Sie kritisieren den Senat: Während seiner bisherigen Amtszeit habe er Ausgründungen aus Hochschulen sträflich vernachlässigt, sagte gestern die wirtschafts- und hochschulpolitische Sprecherin der Grünen, Lisa Paus.

Sie bezieht sich auf einen Evaluationsbericht der EU-strukturfondsgestützten Berliner Förderpolitik von 2003, die dem Senat ein schlechtes Zeugnis ausstellt. Die Maßnahmen für Existenzgründungen werden darin als „finanziell unterausgestattet und zu wenig ambitioniert“ kritisiert. Besonders bei den Akademikern, so der Bericht, gebe es noch weitgehend unausgeschöpftes Gründungspotenzial.

Tatsächlich folgt die Berliner Förderungspraxis noch immer den in den 90er-Jahren von CDU und SPD entwickelten Prinzipien. Wie damals konzentriert man sich hauptsächlich auf technologieorientierte Gründungen. Das Bundesprogramm „Exist Seed“ etwa fördert Gründungsvorhaben in den Bereichen Biotechnologie, Medizintechnik und Informationstechnologie. Mit Geld aus diesem Fonds wurden seit Juni 2005 zwölf Projekte an Berliner Hochschulen gefördert. An der TU sorgt das vom Europäischen Sozialfonds geförderte Programm „Prepare“ dafür, Studenten fit für eine spätere Selbstständigkeit zu machen.

Im Bereich der Geistes-, Medien- und Kulturwissenschaften sind die Förderinstrumente dagegen rar. Zwischen 2000 und 2004 richtete man an drei Universitäten immerhin so genannte Career Center ein. Diese vom Europäischen Sozialfonds geförderten Einrichtungen bieten Sprechstunden zu Existenzgründung und Selbstständigkeit an, geben Praxisworkshops in Zusammenarbeit mit externen Experten und helfen bei der Erstellung von Businessplänen. Die Hälfte bis zwei Drittel der vom Senat zwischen 2000 und 2007 für universitäre Gründungsinitiativen ausgegebenen 15 Millionen Euro fließt in diese Career Center, glauben die Grünen. Genau wissen sie es nicht: Bislang gibt es weder eine genaue Kostenaufschlüsselung noch eine Evaluierung der rot-roten Gründungsförderung.

In einem Antrag fordern die Grünen jetzt, dass der Senat endlich Rechenschaft über seine erratische Förderpolitik gibt. Langfristig planen die Grünen die Einrichtung universitärer Forschungsstellen für angehende Gründer. Unterstützt von universitärem Know-how gehen besonders Kulturschaffende dann nicht mehr so leicht baden, so die Hoffnung. NINA APIN