Förster verhindern Kettensägenmassaker

Der Berliner Wald leidet nicht unter dem Trend zum Kaminofen. Die Förster wirtschaften nach ökologischen Kriterien: Nur 70 Prozent des zuwachsenden Holzes werden genutzt, viele absterbende Stämme bleiben als Kleinbiotope liegen

Wer nach dem Kaminofen-Boom nun wahre Kettensägenmassaker in den Berliner Forsten vermutet, ist auf dem Holzweg. Denn die Nachfrage mag so groß sein, wie sie will, der Einschlag erfolgt nach ökologischen Kriterien. „Wir bauen den Waldbestand sogar auf. Nur 70 Prozent des zuwachsenden Holzes werden genutzt“, sagt Marc Franusch, Sprecher der Forstverwaltung. In kalten Wintern wie diesem müssen die Revierförster schon mal Ofenbesitzer mit leerem Kofferraum nach Hause schicken, weil die Vorräte komplett aufgebraucht sind (siehe Text oben).

100.000 Kubikmeter Holz verkaufen die Forsten jährlich. Die Menge, die einem Würfel mit einer Kantenlänge von 46,5 Metern entspricht, bringt rund 600.000 Euro Einnahmen. Nur ein Teil davon wandert als Brennholz in Kaminöfen der Region, der Rest geht an die Zellstoff- oder Möbelindustrie.

Holz aus dem Berliner Wald trägt seit 2002 die Ökosiegel des Weltforst-Rates und des Verbandes Naturland. Nachhaltig zu wirtschaften bedeutet zum Beispiel, dass die Forstleute viele absterbende Bäume stehen oder liegen lassen. Die Waldbaurichtlinie schreibt zwischen 5 und 10 „vitale Altbäume“ pro Hektar vor. „Ein funktionierender Wald braucht Unordnung“, sagt Franusch. Das Totholz verwittert und versorgt den kargen märkischen Sandboden mit Nährstoffen und Humus.

Außerdem bildet jeder morsche Stamm eine ökologische Nische, die für „verschiedenste Organismengruppen wichtig ist“, wie Herbert Lohner sagt, der Naturschutzreferent vom Umweltverband BUND. Säugetiere wie Igel oder Marder hausen in Holzhaufen, ungezählte Pilze und Insekten bevölkern die absterbenden Bäume. „In jedem Holzhaufen findet sich ein hochkomplexes Ökosystem“, sagt Lohner.

Der Berliner Wald ist ein Freizeitwald, was aus Sicht der Fachleute einen netten Nebeneffekt hat. Geklaut werden Holzscheite kaum, so Franusch. Anders als in anderen Bundesländern, wo Holzdiebe in entlegenen Gegenden bequem das Auto beladen können, kommt hier irgendwann ein Spaziergänger vorbei.

In Berliner Kaminöfen glimmen Scheite, die dem hiesigen Baumbestand entsprechen. Die Kiefer dominiert, zum Leidwesen der Hobbyheizer, weil das harzhaltige Holz beim Verbrennen Funken sprüht. Auch liegt der Heizwert unter dem von härteren Laubbaumhölzern wie Eiche oder Buche, die ebenfalls in Berliner Wäldern geschlagen werden. Welcher Baum fällt, entscheiden die Förster nach Kriterien der Waldpflege, Mischung oder auch Ästhetik, sagt Forstensprecher Franusch.

Der Wald leidet durch den Kaminofen nicht, bei der Luft sieht das anders aus. Zwar wird bei der Verbrennung nicht mehr klimabelastendes Kohlendioxid (CO2) frei, als der Baum zu Lebzeiten verarbeitet hat. Doch bei der Emission von Kohlenmonoxid und Staub liegen die Öfen in der Ökobilanz schlechter. Für die Luftqualität hat der Kaminofentrend also durchaus Nachteile, dafür stirbt eine andere Ofenspezies aus: Nur noch unter fünf Prozent der Berliner Wohnungen werden mit Kohleöfen beheizt.

ULRICH SCHULTE