Thailand tobt, Thaksin taktiert

Gegen den in der Popularität abgestürzten Regierungschef Thaksin Shinawatra protestieren regelmäßig bis zu 100.000 Menschen. Opposition für Wahlboykott

Aufforderung an den hoch angesehenen König Bhumipol, eine Interimsregierung einzusetzen

BANGKOK taz ■ Trotz anhaltender Proteste gegen ihn lehnt Thailands Ministerpräsident Thaksin Shinawatra einen Amtsverzicht weiterhin ab: „Ich werde nicht zurücktreten, weil mein Rücktritt keine Probleme lösen würde“, sagte der 56-Jährige gestern in Bangkok. Am Abend zuvor hatten erneut zehntausende gegen ihn demonstriert. Unter Führung der „Volksallianz für Demokratie“ waren 60.000 Menschen zum Regierungssitz gezogen und hatten Thaksin Korruption und Amtsmissbrauch vorgeworfen. „Keiner war bisher so gierig wie er“, meinte ein Demonstrant. „Er muss aus dem Amt, sonst wird es in Thailand keine Ruhe geben.“

Auslöser der Proteste war der Verkauf von Anteilen des von Thaksin gegründeten Telekommunikationskonzerns Shin Corp an eine Investmentgesellschaft in Singapur. Für den Deal, offiziell eingefädelt von Thaksins Kindern, kassierte der Clan des Premiers umgerechnet 1,6 Milliarden Euro, ohne dafür Steuern zahlen zu müssen.

Inzwischen trat Thaksin die Flucht nach vorn an: Am 24. Februar löste er das Parlament auf und setzte Neuwahlen für den 2. April an – gut drei Jahre vor Ablauf der Legislaturperiode.

Auch Thaksin mobilisiert seine Anhänger. Am Freitagabend ließ er sich von bis zu 150.000 Menschen bei einer Kundgebung in Bangkok auffordern: „Thaksin, kämpf!“ Der angeschlagene Regierungschef bezeichnete die kommende Wahl als „Referendum über seine Politik“ und kündigte eine Verfassungsreform an, deren Details er offen ließ.

Mit dem vorgezogenen Wahltermin stürzte Thaksin seine Gegner zunächst in ein Dilemma. Schließlich aber kündigten die größten Oppositionsparteien, darunter auch die Demokratische Partei (DP) an, die Wahlen zu boykottieren. Der Boykott werde Thaksin entlarven, meint DP-Chef Abhisit Vejjajiva. Laut Opposition hat Thaksin die Legitimität verloren, überhaupt irgendwelche Entscheidungen zu treffen.

Für die gegenwärtige Krise sei ausschließlich der Premier verantwortlich, so Abhisit: „Der Grund, warum die Menschen auf die Straße gehen, besteht darin, dass sie sonst nichts haben, wohin sie sich wenden können.“

Mit Thaksins Festhalten an seinem Amt und dem Wahlboykott der Opposition droht Thailand eine politische Sackgasse. Dabei wird eine Intervention des einst putschfreudigen Militärs noch ausgeschlossen, obwohl in den vergangenen Monaten mehrfach Coupgerüchte kursierten. Sowohl eine Gruppe angesehener Akademiker und Würdenträger als auch die „Volksallianz für Demokratie“ wollen jetzt den hoch angesehenen König Bhumipol bitten, eine Interimsregierung einzusetzen.

Noch im Februar 2005 waren Thaksin und seine Partei „Thais lieben Thais“ mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt worden. Schon seit Jahren ist das Land polarisiert: Während Thaksin vor allem bei der Landbevölkerung im Norden und Nordosten populär ist, wuchs bei der Bangkoker Mittel- und Oberschicht, bei Intellektuellen sowie bei den der Demokratischen Partei nahe stehenden Einwohnern der Südprovinzen der Unmut über den Premier. Dessen Führungsstil ist gekennzeichnet durch zunehmenden Druck auf regierungskritische Medien und eine enge Verflechtung politischer und geschäftlicher Interessen, was zum Beinamen „Asiens Berlusconi“ führte.

Da Thaksins Partei seit den letzten Wahlen 375 der 500 Parlamentssitze hält, ist die parlamentarische Opposition für eine wirksame Kontrolle seiner Regierung zu schwach. So kann die im vergangenen Jahr wegen der blutigen Unruhen in den muslimisch dominierten Südprovinzen von Thaksin erlassene Notstandsverordnung von ihm beliebig oft verlängert werden. Doch der Wahlboykott der Opposition birgt die Gefahr, dass sie weiter marginalisiert wird, wenn er keine große Unterstützung finden sollte. NICOLA GLASS