Teheran sendet gemischte Signale

Zu Beginn der Sitzung der Atomenergiebehörde in Wien warnt Irans Präsident Ahmadinedschad den Westen vor weiterem Druck. Andere Politiker sind zurückhaltender. Unterdessen plaudert der ehemalige Verhandlungsführer aus dem Nähkästchen

VON BAHMAN NIRUMAND

Iran will dem Druck von außen niemals weichen. Das sagte Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad gestern im Hinblick auf die Atomgespräche in Wien. Sollte die Weltgemeinschaft nicht bereit sein, Irans Rechte zu akzeptieren, und das Land unter Druck setzen wollen, „werden wir unsere Entscheidungen und unser Verhalten überdenken“.

Was damit gemeint war, erklärte Irans Verhandlungsführer bei den Atomgesprächen, Ali Laridschani, auf einer Pressekonferenz. Sollte bei der Sitzung des Gouverneursrats der Internationalen Atombehörde (IAEA) in dieser Woche die Einschaltung des UN-Sicherheitsrats beschlossen werden, werde Iran sein Programm zur Urananreicherung aufnehmen und die Zusammenarbeit mit der IAEA kündigen.

Auf die Frage, ob Iran bereit sei, für die Fortsetzung seines Atomprogramms auch Sanktionen in Kauf zu nehmen, sagte Laridschani: „Die Nutzung der Atomenergie ist unser verbrieftes Recht und dieses Recht lassen wir uns nicht nehmen.“ Er fügte allerdings hinzu, dass Iran immer noch zu Verhandlungen bereit sei. Der letzte Vorschlag Teherans sei, auf die Urananreicherung für eine begrenzte Zeit zu verzichten und lediglich die Atomforschung auf niedriger Ebene fortzusetzen.

Hossein Entezami, ein Sprecher des Obersten Nationalen Sicherheitsrat Irans, korrigierte einen Teil der Äußerungen Laridschanis. Iran habe nicht die Absicht, die IAEA zu verlassen. Laridschani habe lediglich die Frage aufgeworfen, wieso ein Mitglied der IAEA vom Zugang zur friedlichen Nutzung der Atomenergie abgehalten werden solle.

Auffällig ist, dass führende Vertreter Irans schon seit geraumer Zeit nicht mit einer Stimme sprechen. Während Ahmadinedschad die radikalste Position vertritt und Laridschani sich etwas konzilianter positioniert, zeigt sich Außenminister Manutschehr Mottaki eher zu Kompromissen bereit. Diese widersprüchlichen Positionen werfen die Frage auf, wer oder welche Kräfte letztendlich über die iranische Position entscheiden. Sicher ist, dass selbst im Lager der Konservativen erhebliche Meinungsunterschiede über die Atomfrage bestehen. Ein Gerücht besagt, dass sich neben der offiziellen auch eine zweite Delegation in der Nähe von Wien aufhält und mit Vertretern der USA Geheimgespräche führt.

Aufsehen erregte letzte Woche ein Bericht von Hassan Rohani vor dem Obersten Nationalen Sicherheitsrat. Rohani war vor Ahmadinedschads Amtsübernahme Chef der iranischen Verhandlungsdelegation und gehört heute zu den einflussreichsten Politikern Irans. Er gesteht, dass Iran bereits in den 80er-Jahren begonnen habe, ein umfassendes Programm zur Herstellung des vollständigen atomaren Brennstoffkreislaufs durchzuführen. Das Know-how und das erforderliche Material habe man auf dem Schwarzmarkt besorgen müssen, vor allem über Zwischenhändler, die mit Pakistan in Verbindung standen. Erst 2003 sei die IAEA Iran auf die Schliche gekommen und habe die vollständige Offenlegung des Atomprogramms verlangt.

„Bei den Verhandlungen mit den Europäern haben wir einiges verschwiegen, ohne zu wissen, dass Libyen, das dieselben Geräte und Pläne von denselben pakistanischen Mittelsmännern gekauft hatte, in Geheimverhandlungen mit den USA und Großbritannien stand und alle Geheimnisse längst verraten hatte“, sagte Rohani. Das Verschweigen sei ein Fehler gewesen, es habe aber auch etwas Positives gehabt. „Wir haben viel Zeit gewonnen“, sagte Rohani. Wäre Iran heute in der Lage, den vollständigen Kreislauf herzustellen, würde die Welt vor vollendeten Tatsachen stehen. „Die Bombe haben wir nicht gewollt, und den Brennstoffkreislauf haben wir noch nicht vollständig erreicht.“ Rohani empfiehlt in Anbetracht der sensiblen Lange eine leisere Gangart. Politische Beobachter bewerten seine Aussagen als Versuch, auf die Radikalen Druck auszuüben und Ahmadinedschad Zügel anzulegen.