Angeblich alles nur kleine Nachbesserungen

Das Kanzleramt reicht den Bundestagsabgeordneten einen Nachschlag an Informationen zum „Bremer Taliban“

„Versehentlich“ wurden dem Parlament ein paar Einzelheiten zum Fall Kurnaz vorenthalten

BERLIN taz ■ Ständig versucht die große Koalition, die vielen Aspekte zur Rolle deutscher Geheimdienste im US-Antiterrorkrieg mit zusammenhängenden Erklärungen zu versehen. Doch ständig tauchen neue Details und neue Fragen auf.

So gilt zum Beispiel der Fall des „Bremer Taliban“ Murat Kurnaz im US-Gefangenenlager Guantánamo eigentlich als abgehakt. Seit die Bundesregierung am 20. Februar dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) ihren Bericht zum Geheimdienstkomplex vorgelegt hat, ist das Motto für Kurnaz’ Schicksal: „bedauerlich – kommt nicht wieder vor – wir arbeiten dran“.

Zwar sei es nicht so schön, dass deutsche Geheimdienstler im September 2002 ins umstrittene Gefängnis gereist sind, um den wahrscheinlich völlig harmlosen damals 20-jährigen Türken aus Bremen zu verhören. Doch habe man 2002 ja nicht wissen können, dass Guantánamo Bestand haben würde. Inzwischen habe Bundeskanzlerin Angela Merkel den Ort kritisiert, und die „schnellstmögliche Freilassung“ Kurnaz’ sei in Arbeit.

Jetzt aber hat das Kanzleramt den Abgeordneten des Bundestags einen kleinen Nachtrag zum Bericht geschickt. „Versehentlich“ seien den Parlamentariern ein paar Einzelheiten zur Chronologie des Falles Kurnaz vorenthalten und erst nur den PKG-Mitgliedern zugänglich gemacht worden.

Dabei handelt es sich um einige Aktennotizen, die bei näherem Hinsehen den Fall Kurnaz noch einmal in etwas anderes Licht rücken. Denn deutlich wird, dass der Ex-Außenminister Joschka Fischer wahrscheinlich gegen einen Besuch Kurnaz’ gewesen sein muss. Demnach dürfte es in der Bundesregierung Anfang 2002 durchaus schon beträchtliche Vorbehalte dagegen gegeben haben, Guantánamo zu besuchen.

Laut nachgereichter Notiz wurde dem Chef des Bundeskanzleramts Frank-Walter Steinmeier (SPD) – heute Außenminister – Ende Januar 2002 empfohlen, auch das Auswärtige Amt mitzunehmen, da eine Chance bestehe, „eigene Erkenntnisse über Zustände in Guantánamo zu erhalten“. Die Idee sei durch Fischers Staatssekretär Gunter Pleuger gebilligt worden, wonach nicht nur je ein Mitarbeiter von BND und Verfassungsschutz, sondern auch einer vom Außenministerium „für max. 2 Tage zur Befragung reisen sollten“. Doch merkwürdig: Fischer wurde „nach AA-Aktenlage“ nicht befasst. Und: „Im Ergebnis“ war das AA nicht mehr beteiligt.

Vielleicht sind solche Notizen tatsächlich „irrtümlich“ zunächst aus dem Bericht für die Abgeordneten gefallen. Vielleicht auch nicht. UWI