Im Rhythmus der Verdammten dieser Erde

GIPSYPUNK Sozialkritisch und beschwingt: Die New Yorker Band Gogol Bordello und ihr neues Album „Pura Vida Conspiracy“

Gogol Bordello haben eine Mission: das Leben entlarven. Dafür bereiten sie ein Feuerwerk aus Tex-Mex, Mariachi, russischer Folklore und Reggae. Ihr Stilsammelsurium soll eine „neo-optimistische“ Bewegung schaffen. Das erklärt Eugene Hütz, Sänger und Mastermind der achtköpfigen New Yorker Band, der mittels Musik das „menschliche Potenzial“ erkundet. Was macht unsere menschliche Existenz aus? Gogol Bordello wollen mit ihrer Musik das tief in uns Begrabene sichtbar machen.

Das musikalische Ergebnis dieser Erkundung ist das sechste Studio-Album „Pura Vida Conspiracy“. Produziert hat es Andrew Scheps, der auch mit den Red Hot Chili Peppers zusammengearbeitet hat. Der Titel ist angelehnt an einen spanischen Slang-Ausdruck – „pura vida“, das pralle Leben. Schon „We rise again“, der Auftaktsong, klingt nach Vorwarnung: Mit erhobener Faust und breiter Brust steht Hütz bereit und singt mit unbändiger Energie über den Wunsch nach Grenzenlosigkeit: „Borders are scars of the planet“, Grenzen sind Narben des Planeten.

„Es ist wahr“, sagt Hütz in einem Promotionvideo, „aber was tun wir dagegen?“ Menschen machen Katastrophen; dazu bedarf es nicht der Natur. Mit ihrem neuen Album wendet sich die Band jedoch vom „puren“ Defätismus ab. „Heutzutage ist es radikal, wenn man die Aufmerksamkeit darauf lenkt, was richtig läuft“, erzählt Hütz dem Onlinemagazin Billboard. Seine Texte schreien laut heraus, dass es optional ist, ob man die Welt bloß pessimistisch sieht oder nicht.

Allzu selbstgerecht klingen Gogol Bordello aber nie. Sie verpacken ihre Kritik etwa in Seemanns-Weisheiten und setzen sie mit einem schaukelnden Rhythmus um, wie in „The Way you Name your Ship“. Man könnte meinen, die Band spiele für „die Verdammten dieser Erde“, wie der postkoloniale Denker Frantz Fanon jene Menschen beschreibt, deren Stimmen im Zirkus der Weltpolitik untergehen.

Inzwischen füllen Gogol Bordello riesige Konzerthallen. Das Thema „Optimismus“ musikalisch zu verarbeiten und über Grenzen zu gehen, ist jedoch nicht neu auf der Band-Agenda. Über die Jahre waren die Besetzungswechsel zahlreicher als die Themen, über die Gogol Bordello sangen. Hütz’ Lebensaufgabe: spontan und chaotisch zu provozieren und „gypsy, cabaret and punk“ als eine „trans-global art syndicate Family“ vorzustellen. Und das ist ihm mit „Pura Vida Conspiracy“ hervorragend gelungen. Gogol Bordello leben ihre Idee eines „Gypsy“-Daseins performativ aus. Letztlich ist und bleibt das Ziel der Band „Yet in living and loving indeed we trust“. Oder, um es mit einem anderen wichtigen Gogol-Bordello-Wort auszudrücken: „Party!“

PANIZ MUSAWI

■ Gogol Bordello: „Pura Vida Conspiracy“ (ATO/PIAS)