„So ein Überfall muss quasimilitärisch sein“

ETIKETTE Kulturwissenschaftler Klaus Schönberger findet, die Berliner Pokerräuber hatten wenig Stil

taz: Herr Schönberger, zwei der Räuber des Pokerturniers in Berlin sind gefasst. Sind sie Dilettanten, wie die Polizei sagt?Klaus Schönberger: Wichtige Kriterien bei solchen Raubakten sind Pfiffigkeit, die Höhe der Beute und mit Einschränkung auch Gewaltlosigkeit. Der Überfall war kreativ: Es gab einen Insidertipp, und die Räuber wussten, wann das Geld von einem Tresor in den anderen gebracht wird. Sie haben auch letztendlich eine hohe Summe erbeutet. Aber dann gibt es die vielen Minuspunkte: Sie haben einen großen Teil der Beute verloren und mussten Gewalt anwenden. Dass einer sich während des Überfalls stellen ließ, ist der Super-GAU.

Ist es denn überraschend, dass es schiefging?

Nein. So ein Überfall muss quasimilitärisch durchgeführt werden, und da braucht man entsprechende Erfahrungen. Die Räuber waren sehr jung, und das war wahrscheinlich das größte Ding, das sie gedreht haben.

Warum sind Überfälle auf Pokerrunden so spannend?

Das hängt mit gesellschaftlichen Fantasien über Reichtum zusammen: Alle träumen vom Sechser im Lotto oder eben vom Bankraub. Alle wollen Geld haben, und die Frage ist: Wem kann man es legitim abnehmen? In Berlin war von Anfang an die Begeisterung nach diesem Raub groß. Ich gehe davon aus, dass Pokerspieler keinen besonders guten Ruf haben. Wer für so was Geld und Zeit hat, dem darf man’s ja abnehmen, denken sich da viele.

Können die Räuber jetzt noch ihre Ehre retten?

Höchstens, wenn die letzten beiden es schaffen zu entkommen. Oder später aus dem Gefängnis ausreißen und nicht gefasst werden. Ansonsten stehen sie jetzt schon als Loser da: Der Raub an sich ist schiefgegangen, sie wurden schnell gefasst, und die Polizei hat sie als Dilettanten dargestellt. INTERVIEW: LALON SANDER

Der Zürcher Kulturwissenschaftler Klaus Schönberger (50) untersucht die Geschichten populärer Bankräuber und die Faszination, die von ihnen ausgeht