„Ich weiß nicht, wie die Leute das machen“

SOZIALPOLITIK Der Sozialwissenschaftler Omar Everleny Pérez Villanueva zieht eine positive Bilanz der kubanischen Währungspolitik, will diese aber bald beendet wissen

■ 53, ist Sozialwissenschaftler und war bis vor wenigen Wochen Direktor des Forschungszentrums der kubanischen Wirtschaft (CEEC) an der Universität Havanna.

taz: Herr Pérez Villanueva, die Zuckerrohrernte war schlecht, der kubanischen Wirtschaft fehlt es an Dynamik, Reformen wie das neue Genossenschaftsgesetz lassen auf sich warten. Ist Kuba unreformierbar?

Omar Everleny Pérez Villanueva: Nein, es gibt kleine Fortschritte. Die Zahl der Selbstständigen nimmt zu, es gibt neue Cafés und Restaurants und eine ganze Reihe neuer Aktivitäten, die der Staat erlaubt. Zum Beispiel die Kinos, wo auf großen Fernsehern aktuelle Filme gezeigt werden. Für etwa zwei Devisenpeso Eintritt.

Zum Wechselkurs von 1:24 macht das 48 Peso nacional, also rund ein Zehntel des kubanischen Durchschnittslohns. Wer kann sich das leisten?

Oh, die Resonanz auf diese Videokinos ist gut. Wie die Leute das machen, weiß ich auch nicht.

Viele Dienstleistungen und mehr Produkte gibt es nur noch gegen CUC, die harte Währung, obwohl die Kubaner meist in Peso nacional bezahlt werden.

Mit dem Widerspruch leben wir schon lange. Heute gibt es aber im Gegensatz zur Situation 1993, als in Kuba der US-Dollar freigegeben wurde, eine ganz andere Dynamik. Der private Sektor in Kuba hat sich entwickelt, er ist vielschichtiger geworden.

Die meisten Kubaner arbeiten für den Staat, werden in Peso nacional bezahlt und klagen über die doppelte Währung und gestiegene Preise. Zu Recht?

Es ist richtig, dass die Preise sehr hoch sind. Aber anders als 1993 gibt es heute keine überbordende Inflation. Damals wurde der US-Dollar legalisiert, weil die Regierung in Finanznöten steckte und die zirkulierenden US-Dollar auf der Insel abschöpfen wollte. Seitdem leben wir in Kuba mit der doppelten Währung. Die müssen wir wieder beseitigen, und das ist ein Ziel der Regierung.

Bis wann soll das geschehen?

Wir im Institut rechnen für Ende 2014 damit, aber es gibt kein fixes Datum. Voraussetzung dafür sind produktive Strukturen. In Kuba wird zu wenig hergestellt. Es ergibt keinen Sinn, eine Währungsreform durchzuführen, wenn sich am latenten Mangel an elementaren Produkten nichts ändert.

Die doppelte Währung hat das Gesellschaftsgefüge durcheinandergebracht. Aus Gewinnern der Revolution wie den Frauen oder der schwarzen Bevölkerung wurden Verlierer.

Das ist Teil der kubanischen Realität und die gesellschaftlichen Ungleichgewichte haben sich im Laufe der Jahre noch verstärkt. Es gibt Bevölkerungsschichten, die von der Entwicklung benachteiligt wurden. Dort muss der Staat mit einer spezifischen Sozialpolitik nachbessern. Die notwendigen finanziellen Mittel könnten über die Besteuerung generiert werden.

Kuba braucht also eine neue Sozialpolitik?

Wir müssen weg vom Gießkannenprinzip und spezifische Bevölkerungsgruppen wie Rentner mit niedrigen Pensionen oder Familien mit geringen Einkommen in den Blick nehmen.

INTERVIEW: KNUT HENKEL