LESERINNENBRIEFE
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Da fehlen mir die Worte

■ betr.: „Die Kirchenväter und die Angst“, taz vom 15. 3. 10

Ein Pfarrer, der einen Jungen sexuell missbraucht hat, wird zu einer einjährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt, an einen anderen Ort versetzt, ohne die neue Gemeinde zu informieren. Dort soll er sich erneut an Minderjährigen vergangen haben. Wenn ich das mit einem anderen Fall aus meiner Nähe vergleiche (Limburg an der Lahn), wo jemand zu rund sechs Jahren Haft verurteilt wurde, weil er „nur“ 2,7 Millionen Euro aus der Kirchenkasse veruntreut hat, fehlen mir die Worte. Was ist das für ein Verständnis, was für eine Auffassung von Recht und Gerechtigkeit? Ist es nicht an der Zeit, mehr Gerechtigkeit im eigentlichen Sinn des Wortes einzuführen?

KLAUS ROCKENFELLER, Neuwied

Spezifische Bedingungen

■ betr.: „Wenn der Onkel zugreift“, taz vom 18. 3. 10

Prozentualer Anteil wäre interessant. Der Artikel geht nur von der Zahl absoluter sexueller Missbrauchsfälle aus. Er stellt nicht die Frage nach dem prozentualen Anteil der Täter innerhalb der Kirche einerseits und außerhalb derselben andererseits. Es ist logisch, dass es außerhalb der Kirche sehr viel mehr Missbrauchsfälle gibt, da der Anteil katholischer Priester an der Gesamtzahl erwachsener Männer unter 0,1 % liegt. Es geht nicht darum, Missbrauch hier und dort gegeneinander auszuspielen, sondern um die Frage, ob es in der katholischen Kirche spezifische Bedingungen gibt, die sexuellen Missbrauch begünstigen, und wenn ja, welche, um dagegen angehen zu können. ARTUR BORST, Tübingen

Ein selektives historisches Bild

■ betr.: „Von Athen in den Odenwald“, taz vom 16. 3. 10

Auf die wichtige Frage, ob die Reformpädagogik durch die Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule generell „männerbündisch, antidemokratisch sowie gemeinschaftsselig“ sei, antwortet Micha Brumlik: „Gewiss nicht!“ Zur Begründung nennt er in seinen Augen „unbefleckte“ Heiligenbilder der Reformpädagogik wie Montessori, Korczak und Dewey. (In der Korczak-Forschung tauchen übrigens auch immer wieder Vermutungen über seine möglicherweise pädophilen Neigungen auf.) Doch warum fragt Brumlik nicht, was die inhaltlichen Prinzipien der Reformpädagogik, die er selbst sachlich zusammenfasst, möglicherweise mit den Missbrauchsfällen zu tun haben? Sie seien im jeweiligen geschichtlichen Zusammenhang zu sehen. Doch den für die aktuelle Diskussion relevanten geschichtlichen Zusammenhang (die BRD zwischen 1960 und 2000 und die Rolle der Reformpädagogik in dieser Zeit) erwähnt Brumlik gar nicht. Stattdessen liefert er ein sehr selektives historisches Bild der reformpädagogischen Bewegung, das aus einer Mischung aus Fakten und Vorteilen besteht: Dazu gehört zum Beispiel „die militarisierte Bündische Jugend“ (was diese am allerwenigsten charakterisiert) oder der Hinweis auf Kurt Hahns Homosexualität (eine Tatsache, die wenig zur Klärung, aber viel zur Vorurteilsbildung beiträgt).

JOCHEN KUHNEN, Immenhausen b. Kassel

Was Schulerziehung produziert hat

■ betr.: „Lehrstunden für die Demokratie“, taz vom 17. 3. 10

Super! Da möchte ich auch noch mal zur Schule gehen. In den 60er-Jahren konnten wir davon nicht mal träumen. Was die damalige Schulerziehung produziert hat, sehen wir jetzt im Bundestag: „brave Karrenschieber“ in Angst, Betonköpfigkeit, Ideenlosigkeit, Korrumpierbarkeit, Unterwürfigkeit (USA, Nato, Konzerne und Finanzwelt), und das alles verpackt als „Realpolitik“ … Das Beklemmende: Diese „Eliten“ können kein Interesse an einer Schulerziehung à la 5d haben – aufgeweckte, selbständig und kritisch denkende BasisdemokratInnen werden den gegenwärtigen Filz spätestens dann hinwegfegen, wenn sie wählen dürfen! SABINE MIEHE, Marburg