neues aus neuseeland: die sieben kardinalsünden halbwildfremder von ANKE RICHTER
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In der Ferne sein Immigrantenschicksal zu meistern, ist hart genug. Erschwert wird es dadurch, dass Menschen, die man nur flüchtig kennt, dort Urlaub machen. Mit erstaunlicher Finesse machen sie deine Adresse ausfindig – „erinnerst du dich noch an mich aus der Ausdruckstanz-AG, das Jahr vorm Abi?“ – und laden sich prompt selbst ein, „es soll ja so schön sein bei euch“.

So hat man plötzlich 24 Stunden am Tag Halbwildfremde um sich, inklusive Abendessen-Frühstück-Mittagessen und Kurz-mal-die-Gegend-Zeigen. Das alles gebietet die Höflichkeit und kann erquicklich sein, ja manchmal faszinierend. Damit aber die Gastfreundschaft auch demnächst funktioniert, bitten wir alle Besucher, die folgenden Reise-Infos zu beachten:

1. Halte dich peinlich genau an Mitbringsel-Vorgaben. Haben deine Gastgeber sich Lakritz gewünscht, dann hast du dieses tütenweise zu besorgen und es nicht gegen Kaubonbons einzutauschen, weil das Lakritz „sich so hart anfühlte“. Merke: Wir mögen es hart. Dito verfahre beim Mitschleppen erwünschter Zeitschriften, auch wenn wir auf schwere Sorten stehen. Lass dir niemals Übergepäckgebühr aufbrummen – typischer Anfängerfehler, der auf deine Kosten geht. Absolute, unverzeihbare Todsünde: „Ach, die Zeitungen hab ich gelesen und im Flieger vergessen, aber ich hab ja noch einen Focus dabei.“ Doch, das macht was.

2. Trage keine Perlenketten, lilafarbene Fleece-Westen, Sandalen mit Socken und ähnliches körpererniedrigendes Tuch, was dich und deine Gastgeber in unvorteilhaftes Licht rückt und der Völkerverständigung schadet.

3. Strecke nicht jedem, der dir zwischen Supermarkt und Strand vorgestellt wird, die Pranke entgegen. Ein Lächeln statt zwanghaftem germanischem Händeschütteln überwindet kulturelle Schranken geschmeidig.

4. Verlängere niemals die Zeit, die dir als Bleiberecht einberaumt wurde, auf eigene Faust. Wenn niemand bittet, dass du länger bleiben mögest, dann hat das seine guten Gründe. Sie haben nichts mit dir persönlich zu tun, sondern damit, dass du Tourist und dementsprechend strapaziös bist.

5. Rede nur über deine verrückte Jugend, deine Analyse Angela Merkels und die Tücken deines anspruchsvollen Berufs, der dir für „euer kleines Paradies hier“ gerade mal zehn Tage Zeit lässt, wenn du ausdrücklich danach gefragt wirst. Wahrscheinlich fragt aber keiner.

6. Du bekommst Kost und Logis nicht umsonst, sondern hast mit Interesse und Begeisterung für das dir Dargebotene zu bezahlen. Dass der Jetlag dich kaum aufnahmefähig macht und du wie im Nebel agierst, hast du tunlichst zu überspielen. Erst recht die Tatsache, dass das im Merian-Heft alles viel grüner und exotischer aussah als bei deiner Fahrt vom Flughafen durchs Industriegebiet. Kleiner Insider-Tipp am Rande: Spielverderber erhalten schlechteres Essen und werden von unseren Kindern geweckt.

7. Sollte es dir dennoch ausgezeichnet gefallen haben, dann gib unsere Adresse auf keinen Fall an deine Nachbarn, Kollegen und Internetbekanntschaften weiter. Wir werden uns sonst bei euch einquartieren, damit ihr uns Deutschland von der schönsten Seite zeigt.