„Mit allen Sinnen“

Computer beherrschen immer mehr Funktionen – doch viele Anwender blicken schon heute bei ihrem Handy nicht mehr durch. Der Informatiker Wolfgang Wahlster arbeitet daran, dass sich der Computer dem Menschen anpasst.

taz: Herr Wahlster, viele Konsumenten sind von Handys und Computern frustriert, weil ihre Bedienung viel zu kompliziert ist. Wie lässt sich das ändern? Wolfgang Wahlster: Die Überflutung der Geräte mit Funktionen, die selten benötigt werden, ist in der Tat ein großes Problem. Das wird sich aber in Zukunft verbessern. Wir arbeiten daran, dass sich die neuen Multifunktionsgeräte, mit denen man telefonieren, fernsehen und im Internet surfen kann, intuitiv bedienen lassen. Unser Ziel ist, dass die Technik, die dahinter steckt, im Verborgenen bleibt und mit allen menschlichen Sinnen wie Sprache, Gestik und Mimik bedient werden kann. Wie würde so ein Gerät aussehen? Auf dem Cebit-Schwerpunkt „Mensch–Technik–Interaktion“ zeigen wir mit Compass2008 erstmals ein Handy mit einem eingebauten Übersetzungssystem für gesprochene Sprache. Es ist zunächst für Besucher der Olympischen Spiele in Peking 2008 gedacht. Wenn Sie zum Beispiel im Restaurant sind, sprechen Sie Ihre Bestellung auf Deutsch in das Handy, das Ihren Satz ins Chinesische übersetzt. Aus dem Lautsprecher gibt dann eine elektronische Stimme die Bestellung auf Chinesisch an den Kellner weiter. Je nach Umgebung stellt sich das Handy auf verschiedene Szenarien ein. Bei der PC-Hardware hat sich seit der Einführung der Maus vor über 20 Jahren der Benutzerkomfort nicht entscheidend verbessert. Wird sich hier noch etwas tun? Der PC, wie wir ihn kennen, ist ein Auslaufmodell. Im Büro wird er vielleicht noch als Schreibmaschine überleben, aber die ernsthafte Kreativarbeit verlagert sich immer mehr ins Mobile. Wir stehen am Anfang der Post-PC-Ära. Und dafür brauchen wir mobile Geräte, die ohne Maus und Tastatur auskommen. Die neuen Computer werden alle menschlichen Sinne nutzen, um mit dem Computer zu kommunizieren – dazu gehören Sprache, Gestik und Mimik, aber auch alles, was haptisch funktioniert, wie das Drehrad beim IPod. Was bedeutet „Post-PC-Ära“ für die stationären Computer zu Hause? Im Haus werden wir immer stärker von eingebetteten Computern umgeben sein. Sie können zum Beispiel in LCD-Bildschirmen stecken, die in der Wohnung verteilt sind. Diese neuen Systeme stellen sich darauf ein, was ich gerade mache. Wenn ich zum Beispiel vom Wohnzimmer in die Küche gehe, läuft dort automatisch der Film weiter, den ich gerade im Wohnzimmer gesehen habe. Das Konzept ist deshalb das Ende der PC-Ära, weil wir nicht mehr nur einen persönlichen Computer haben, sondern viele. Kritiker wenden ein, dass das Verschmelzen von TV, Internet und Telefon in einem Gerät keinen Erfolg haben wird, weil niemand fernsieht und gleichzeitig E-Mails schreibt. Das wichtigste Argument für die Konvergenz der Medien sind nicht die neuen Funktionen für den Konsumenten, sondern es ist die Kostensenkung. Wenn alle Medien mit dem Internet Protokoll dasselbe Übertragungsverfahren nutzen, ist dies für den Konsumenten viel günstiger, als wenn die Infrastruktur für das Fernsehen, das Internet und das Telefon nebeneinander existieren. INTERVIEW: TARIK AHMIA