Ansehen verboten

INTERNET Das Hanseatische Oberlandesgericht stellt das bloße Betrachten von Kinderpornos im Internet unter Strafe. Bereits dies schaffe einen Anreiz für Anbieter, Kinder für solche Bilder zu missbrauchen

Nun gibt es eine Ausflucht weniger: Schon das reine Betrachten einer kinderpornographischen Internet-Seite ist strafbar. Das hat das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) in einem unanfechtbaren Grundsatzurteil festgelegt. „Die dem Besitz eigentümliche Herrschaftsmacht hat der Besitzer bereits dadurch“, führte der zweite Senat des OLG aus, „dass es in seinem Belieben steht, nach Aufruf die Datei zu speichern, zu kopieren und zu verbreiten“.

Ursprünglich war der Angeklagte vom Amtsgericht Hamburg-Harburg freigesprochen worden, obwohl er sich in 16 Fällen Dateien kinderpornographischen Inhalts verschafft und angesehen hatte. Das Amtsgericht war der Auffassung, dass der Angeklagte zwar die Dateien gezielt im Internet aufgerufen und auf seinem Bildschirm betrachtet habe, jedoch nicht vorgehabt hatte, diese Dateien auf seinem Computer zu speichern.

Dass eine automatische Speicherung und Protokollierung im so genannten Internet-Cache stattgefunden habe, davon wollte der Angeklagte keine Kenntnis gehabt haben. Das bloße Betrachten hat das Amtsgericht als nicht strafbar angesehen, weil es am „Besitz der Datei“ fehle.

Das Urteil korrigierte nun das OLG in der Sprungrevision und verwies den Fall zur einer neuen Verhandlung an das Amtsgericht zurück. Ein Internet-Nutzer mache sich schon dann strafbar, so das OLG, „wenn er bewusst und gewollt“ eine Internetseite mit solchem Inhalt aufrufe.

Die Strafbarkeit setze nicht voraus, dass der Nutzer die Datei manuell auf seinem Computer abspeichern wolle oder Kenntnis von einer automatischen Speicherung habe. Die Richter führten weiter aus, dass der zu körperlichen Gegenständen wie Videokassetten oder Schriften entwickelte „Besitzbegriff“ einer erweiterten Auslegung bedürfe, um dem Gesetzeszweck und dem Willen des Gesetzgebers auch bei „unkörperlichen Gegenständen wie einer Internet- oder Computerdatei“ zu genügen.

Bekämpft werden solle „unter weit nach vorn verlagerter Strafbewehrung“ der schon im Aufrufen einer einschlägigen Internetseite liegende Konsum kinderpornographischer Darstellungen, „weil schon dieser einen Anreiz für kommerzielle Anbieter schafft, bei der Produktion derartiger Bilder und Videofilme Kinder zu missbrauchen“. Dass diese „Herrschaftsmacht“ nach Aufrufen zum bloßen Betrachten nur kurz sei, ergebe sich aus dem Medium Internet. In Anpassung daran den „Besitzbegriff“ zu modifizieren, überschreite aber nicht das im Grundgesetz verankerte Gebot zur „Bestimmtheit einer Straftat“, befanden die Richter.

Schon die 1997 geschaffene gesetzliche Gleichstellung von Datenspeichern mit Bildern und Schriften machten es für jeden Bürger hinreichend erkennbar, dass der „Besitzbegriff“ auch für aus dem Internet heruntergeladenen Dateien Anwendung finde. KAI VON APPEN