Schadstoffdeponie leckt

Hamburger Hafenbehörde versenkt giftiges Baggergut aus der Elbe in der Nordsee. Jetzt warnt ein Forschungsinstitut: Der Schlick bleibt nicht liegen, sondern verteilt sich an der Küste

von Gernot Knödler

Das Baggergut aus der Elbe ist wie ein böser Geist, den die Hamburger Hafenbehörde einfach nicht los wird. In ihrer Not hat die Behörde einen Lagerplatz in der Deutschen Bucht gefunden. Zwischen den Inseln Neuwerk und Helgoland will sie 4,5 Millionen Kubikmeter giftigen Schlamm aus der Elbe versenken. Der Ort sei ideal, hieß es, denn hier ströme das Wasser im Kreis: Was hier liege, bleibe liegen.

Dem widerspricht jetzt das Wilhelmshavener Senckenberginstitut. Gerade der feinkörnige Anteil Schlamms, an dem Schwermetalle und organische Schadstoffe wie DDT kleben, werde sich entlang der Küste der Deutschen Bucht verteilen, so das Institut.

Die Hamburger sind das Baggern gewöhnt. Um ihren Hafen erreichbar zu halten, haben sie die Fahrrinne im Laufe vieler Jahrzehnte um mehr als zehn Meter vertieft. Mit der Flut schwappen Sand und Schlick zurück in den Hafen.

Lange Zeit ist die Hafenbehörde mit der Baggerei gut zu Rande gekommen. Der am stärksten vergiftete Teil des Baggerguts wurde an Land deponiert. Ein großer Schlickhügel, der einmal der Naherholung dienen soll, zeugt davon. Große Mengen hat die Hafenbehörde stromabwärts bis zur Landesgrenze bei Wedel transportiert und dort versenkt.

Das funktionierte bis 1999, dem Jahr der jüngsten Elbvertiefung. Danach mussten die Bagger und Sauger von Jahr zu Jahr mehr Sediment aus dem Strom holen. Von höchstens zwei Millionen Tonnen jährlich explodierte die Menge bis 2004 auf acht Millionen Tonnen. „Das Problem ist, dass sich der Strom in den vergangenen Jahren anders verhalten hat, als wir das gewohnt waren“, sagt Hafenbehördenchef Hans-Peter Dücker.

Alarmiert forschten seine Wasserbauer nach den Ursachen. Und stellten fest, dass ein großer Teil des Sediments, dass sie anderswo im Fluss versenkt hatten, zurückkam. Viele der acht Millionen Tonnen hatten die Bagger gleich mehrfach in der Schaufel.

Die Hafenbehörde beschloss, einige Millionen Tonnen diesem Kreislauf zu entziehen und ließ sich das Baggergutdepot in der Deutschen Bucht genehmigen. Stark mit Giften belastetes Baggergut sollte dabei weiterhin an Land deponiert werden. Doch auch das, was in die Nordsee transportiert wird, enthält viel mehr Gift als das vergleichsweise saubere Sediment an der Klappstelle.

Die Hamburger Hafenbehörde ließ deshalb untersuchen, wo die ersten 800.000 Kubikmeter Baggergut, die im vergangenen Jahr verklappt wurden, geblieben sind. Ergebnis: Zum größten Teil in der Nähe der Klappstelle. Die Port Authority hielt fest, „dass in keinem Fall auch nur annähernd Schutzgebiete oder touristisch genutzte Gebiete erreicht wurden“.

Georg Irion vom Forschungsinstitut Senckenberg hält die These von der kreisförmigen Strömung im Verklappungsgebiet dagegen für falsch. Die feinen Schwebstoffe würden nach Untersuchungen des Instituts fortgespült und verteilt. „Die Verklappungen sind, sollten sie fortgesetzt werden, vor allem wegen der diffusen und großräumigen Verteilung der belasteten Sedimente und des irreversiblen Charakters dieses Vorganges eine kaum zu verantwortende Hypothek für die Zukunft“, schrieb er in der FAZ.

Der Hamburger Senat solle sich über die 4,5 Millionen Tonnen keine weiteren Verklappungen genehmigen lassen, forderte er gegenüber der taz.

„Es kann nicht Sinn der Sache sein, dass man aus dem Wattenmeer ein Depot für hoch belastete Sedimente macht“, kommentierte der Hamburger GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Christian Maaß. Die Hafenbehörde weist unterdessen darauf hin, dass es sich beim Deponieren in der Nordsee „nicht um eine Dauerlösung“ handele.