Reanimationen
: Nach billigem Ermessen

Die University of Nottingham rühmt sich, zu den 100 Top-Unis weltweit zu zählen und Forschungen zu betreiben, die die Welt verändern. An der Abteilung „Rehabilitation und Altern“ lehrt auch Dr. Simon P. Conroy. Unter seiner Federführung entstand nun ein Aufsatz, den die Uni per Pressemitteilung empfiehlt. Im British Medical Journal habe ein Team um Conroy gefragt, ob es „ethisch“ sei, von allen Kliniken und Heimen zu verlangen, Patienten per Herz-Lungen-Reanimation, etwa nach Herzstillstand, wiederzubeleben. Die Erfolgsrate liege in Kliniken bei unter 15 Prozent, in Pflegeeinrichtungen jedoch nur bei rund sechs Prozent. Mindestens jeder zweite Überlebende trage funktionale oder neurologische Schäden davon. Was Conroy und Co. aus den Daten schlussfolgern, ist durchaus Atem beraubend: Geändert werden müssten jene Richtlinien des Nationalen Gesundheitsdienstes, die alle Einrichtungen zum Reanimieren verpflichten. „Angesichts der geringen Erfolgschance“ müsse es auch Häuser geben dürfen, die auf Wiederbelebungen kategorisch verzichten. Eingesparte Ressourcen könnten genutzt werden, um die Qualität der Pflege zu verbessern, heißt es in der Pressemitteilung. „Alternativ“ könne Ärzten und Pflegenden erlaubt werden, die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Wiederbelebung abzuschätzen und „ohne weitere Diskussion“ mitzuteilen. Werde die Chance als gering angesehen, werde nicht reanimiert – es sei denn, der Klinikpatient oder Heimbewohner verlangt dies ausdrücklich. KLAUS-PETER GÖRLITZER