Atomlager umstritten

Wirtschaftsminister Glos will sofortigen Weiterbau von Schacht Konrad, Umweltminister Gabriel möchte warten

BERLIN taz ■ Das Atomendlager Schacht Konrad entzweit Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU). Während Gabriel den Ausbau des Bergwerks bei Salzgitter möglichst lange aufschieben will, besteht Glos auf zügige Vorbereitungen für die Lagerung von strahlendem Abfall.

Der Streit knüpft sich an ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom Mittwoch. Das OVG hatte die Klagen von Anwohnern und Gemeinden gegen das geplante Lager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall abgelehnt. Eine Revision ließen die Richter nicht mehr zu. Der endgültige Ausbau des Bergwerks könnte deshalb grundsätzlich sofort beginnen, wie auch Gabriels Sprecher Michael Schroeren gestern sagte.

Doch das Umweltministerium will warten. Denn die Kläger können noch eine Beschwerde gegen die Ablehnung der Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen. Erst wenn in einigen Monaten oder Jahren darüber entschieden ist, wird das Urteil vom Mittwoch rechtskräftig. Gabriel argumentiert nun, die Bundesregierung müsse die Rechtskraft abwarten. So stehe es in der Vereinbarung über die Zukunft der Atomenergie, die die rot-grüne Regierung im Jahr 2000 mit den Energiekonzernen abgeschlossen hat.

Glos verweist dagegen darauf, dass der Planfeststellungsbeschluss für Schacht Konrad, den das Lüneburger Gericht bestätigt habe, sofort vollziehbar sei. Außerdem sei noch gar nicht klar, ob die Kläger tatsächlich ihre Beschwerde gegen die Revision einlegen würden, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.

Juristisch betrachtet haben beide Seiten auf ihre Art Recht. Hinter den unterschiedlichen Interpretationen steht der politische Konflikt. Während der Umweltminister den Ausstieg aus der Atomenergie vollziehen will, versucht Glos zusammen mit der Industrie, Hintertürchen zu öffnen.

Fraglich erscheint währenddessen, ob das Endlager Schacht Konrad überhaupt noch so notwendig ist wie bei Planungsbeginn im Jahr 1982. Damals kalkulierte man mit sehr großen Mengen verstrahlten Mülls durch den Abbau von Atomkraftwerken. Am Beispiel der Dekonstruktion des DDR-Reaktors in Greifswald zeigt sich jedoch mittlerweile, dass weniger Müll anfällt als erwartet. Die technischen Verfahren zur Dekontamination von radioaktiv verstrahltem Material sind inzwischen fortgeschritten.

Dies hat Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit von Schacht Konrad. Fällt weniger Atommüll an, steigen die Lagerkosten pro Kubikmeter – eventuell so hoch, dass die Energiekonzerne kein Interesse mehr an Schacht Konrad haben.

HANNES KOCH