„Fürs Klo fehlen uns die Worte“

taz: Herr Panzerbieter, wie viele Toiletten fehlen?

Thilo Panzerbieter: Damit jeder Erdenbürger versorgt ist, müssten bis 2015 jeden Tag 100.000 Toiletten gebaut werden.

Woran hapert es?

Politiker und Sponsoren lassen sich gerne mit einem Kind oder einem Brunnen fotografieren. Aber niemals mit einem Klo. Toiletten sind nicht sexy. Sie lassen sich nicht vermarkten.

Woher kommt es, dass außer Ihnen niemand über das stille Örtchen reden will?

Notdurft verrichten, defäkieren – uns fehlen die Worte. Entweder nutzen wir den Ärztejargon, die Kindersprache oder wir gelten als vulgär. Die Menschen sind verklemmt. Schon als Kind wird uns beigebracht, nicht übers Klo zu reden. Dort sind wir allein, die Tür wird abgeschlossen.

Welche Folgen hat der verklemmte Umgang mit dem Klo?

Zum Beispiel Sri Lanka. Seit der Tsunami-Katastrophe werden dort viele schöne Häuser gebaut. Aber häufig fehlen angemessene Klos. Einfach vergessen.

Wie kann das passieren?

Selbst die großen Nothilfe-Organisationen wie Habitat, World Vision oder das Rote Kreuz bitten um Beratung. Sie kennen sich mit den sanitären Gewohnheiten nicht ausreichend aus. So bleibt der Rückzug auf eine saubere Toilette immer noch Luxus. Gut 40 Prozent der Weltbevölkerung fehlen sanitäre Anlagen. Frauen begeben sich in Gefahr, weil sie ihre Notdurft nachts draußen verrichten. Da sind noch gewaltige Anstrengungen nötig.

Ihr Klo-Programm?

Wir können unser System nicht einfach auf andere Länder übertragen. Die Mehrheit der Weltbevölkerung hockt sich zum Beispiel hin. Da sind deutsche Sitztoiletten fehl am Platz. Wir müssen lernen und aufklären.

Über was genau?

„Waschen Sie sich nach der Toilette die Hände“ – dieser Tipp reicht nicht. Jeder muss wissen, dass Fäkalien beispielsweise das Trinkwasser in Entwicklungsländern verseuchen. Ohne sauberes Wasser können nämlich weder die Kindersterblichkeit noch Krankheiten wie die Cholera besiegt werden.

Aber wie wollen Sie das Klo-Tabu überwinden?

Die Probleme fangen mit der Finanzierung an. Für Trinkwasser gibt es Geld, für das Abwasser nicht. Dabei gehört der Gang zum Klo zum menschlichen Dasein. Also müssen die Mittel für Brunnen und Klos gleich verteilt werden. Deshalb starten wir jetzt einen großen Appell an Politiker – „Wasser ist Leben, Abwasser ist Würde.“

INTERVIEW: HANNA GERSMANN