DAS DRAMA IM LEBEN
: Nichts los

Ich drehe den Kopf in alle Richtungen, suche die versteckte Kamera

Mir ist langweilig. Ich sitze vor meinem Laptop, tippe so rum und nichts passiert. Die Sonne scheint, das ist schön, ein leichter Wind weht, das ist auch toll, das Teewasser kocht gleich, zumindest da tut sich was. Ich starre auf die Gasflamme, dann wieder zurück auf den Bildschirm. Meine Romanfiguren sind ebenso gelangweilt wie ich. Eine sagt was zu der anderen, die andere was zu einer Dritten, die wieder was zu der Ersten, immer im Kreis herum reden die, und über was überhaupt? Langweilig! Ich brauche ein bisschen Drama im Leben, und hoffentlich färbt das dann ab.

Ich hab’s: U-Bahn! Da ist immer was los. Ich fahr ’ne Runde Bahn. Ich überlege kurz, ob ich das Gas anlassen soll, vielleicht passiert was Interessantes mit dem Kessel, wenn das Wasser alle ist, aber eigentlich weiß ich schon, was dann passiert, das hab ich schon mal gemacht, aus Versehen. Da war der Kessel am Ende ganz heiß und unten und innen die Emaille ab, aber mehr Aufregung gab’s nicht.

Ich dreh das Gas also aus und mach mich auf den Weg. Schreckliche Fahrgäste, nervige Musik, Baustellen, Umleitungen vielleicht, irgendwas wird schon sein.

Kaum steh ich auf dem Bahnsteig, da gongt’s auch schon. Eine Durchsage, das fängt gut an. „Liebe Fahrgäste“, sagt’s da, ich horche auf. „Im Moment liegen keine Störungen vor.“ Ich hör wohl nicht richtig. Aber die freundliche Stimme wiederholt’s gleich noch mal: „Im Moment liegen keine Störungen vor. Der Zugverkehr ist regelmäßig.“ Ende der Durchsage.

Keiner rührt sich, außer mir. Ich drehe den Kopf in alle Richtungen, verstört, ich suche die versteckte Kamera. Da ist keine. Als kurz darauf die Bahn einfährt, pünktlich und ziemlich leer, sogar Sitzplätze gäbe es also, steig ich nicht ein. Ich gehe zurück nach Hause, vielleicht versuch ich mich doch noch mal am Teekessel, wer weiß. JOEY JUSCHKA