Entspannte Versuche über den Konjunktiv

BÜRO-DEADHEADS „Ich bin nicht da gewesen“ heißt eine performative Ausstellung im Theaterdiscounter an der Klosterstraße. Zwischen Kunstobjekten und absurden Spielszenen müssen sich die Besucher einen Weg durch lange Flure und hohe Räume bahnen

Die Räume des Theaterdiscounters befinden sich in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude in der Klosterstraße. Man guckt durch die langen Gänge, denkt „Super, DDR!“, stellt sich am Tresen vor „Huhu, ich bin die taz“, setzt sich erst mal an die gemütliche Bar und ist unsicher, ob es sich bei den anderen Anwesenden um Schauspieler oder Besucher handelt; also ob man schon in der neuen Arbeit des 2007 von Peggy Mädler und Julia Schlipfer gegründeten „Labors für kontrafaktisches Denken“ mit drin ist oder nicht.

Die „performative Ausstellung über den Konjunktiv“ heißt „Ich bin nicht da gewesen“. In den Achtzigern gab es mal diese auf Lacan via Derrida zurückgehende intellektuelle Mode, etwas durchzustreichen, um so darauf hinzuweisen, dass das Unbewusste keine Verneinung kennt oder dass das Verneinte in der Verneinung weiter präsent ist.

Dann wird man durch einen langen Flur in den fast turnhallengroßen Ausstellungsraum geführt. Man guckt sich die Objekte an, etwa rechteckig auf dem Boden zerstreute Borke. Das Kunstwerk heißt „Landschaft mit Neuenberger See“, und auf der erklärenden Tafel steht „Nach den ersten Jahren als Beamtin denkt man schon manchmal: Wahnsinn, das hältst du auf Dauer nicht aus. Das ist ja wie Zuchthaus.“

Die auf eine Leinwand projizierte erste Seite einer vergangenen SZ erinnert an die Kandidatur Al Gores als US-Präsident. Ein Krankenhausbett steht gleich daneben. Die Arbeit heißt „Wie schön, dass du gestorben bist“ und wurde von einem Stockholmer Museum ausgeliehen.

Man liest in fiktiven Biografien oder hört sie sich im Kopfhörer an. Im Hintergrund klappert eine Reiseschreibmaschine, auf der Leute ihre Gedanken über dies hier formulieren. Und während man so durch die Ausstellung schlendert, hört man im Hintergrund Sprechgesang: „Er war schon in der Schule ein Außenseiter …“ Und ein Liedtext entwickelt sich, in der dieser Satz der Beginn einer Erzählung ist, die sich folgerichtig entwickelt, aber auch anders entwickeln könnte.

Erst spät bemerkt man, dass da ja auch noch Schauspieler auf einer kleinen Bühne agieren. Sie sitzen an kleinen, leichten Tischen und erledigen Bürozeugs. Eine junge Frau schreibt auf einem weißen Laptop. Ihre Versuche über den Konjunktiv werden auf eine Leinwand projiziert. Eine andere Frau wartet auf Zuschauer, um mit ihnen über das Projekt zu reden. Ein Musiker, Tobias Vethake, sitzt auf dem Boden und wirft melancholisch minimalistische kleine Themen mit unterschiedlichen Mitteln in den Raum. Die Laptopschreiberin erzählt, sie sei mal auf einem Konzert von Grateful Dead gewesen und hätte sich dann sehr gewünscht, Tontechniker zu werden.

Dann tanzen die vier zu dem Dead-Song „Truckin‘“. Alles ist sehr entspannt. Man denkt aber gar nicht über den Konjunktiv nach und fragt sich auch nicht, welches der ausgestellten Objekte nun das echte wäre, sondern überlegt, sich gleich morgen von seiner schweren Tischplatte zu trennen und sich stattdessen auch einen so leichten, unaufdringlichen Schreibtisch zu besorgen. Wie schön wäre es doch, auch Teil dieser sympathischen Bürogemeinschaft zu sein! Es gibt keine Entwicklung im Konjunktiv. Das Stück endet um halb zehn. Später frage ich nach den schönen Büromöbeln. Sie wurden aus den Schrankwänden Modell Leipzig und Modell Jeanette gezimmert. DETLEF KUHLBRODT

■ „Ich bin (nicht) da“. Wieder vom 23. bis 28. März, im Theaterdiscounter, Klosterstr. 44