piwik no script img

Das Super-Theater

JUBILÄUM 25 Jahre gibt es das Schmidt Theater. Zusammen mit dem Tivoli ist es das erfolgreichste Privattheater Deutschlands. Überhaupt stehen sie hier auf Superlative

VON ILKA KREUTZTRÄGER

Die Ganderkeseer Landfrauen wollen am 27. November nach Hamburg fahren und sich das Musical „Heiße Ecke“ ansehen. Das ist zwar noch sehr lang hin, aber schon jetzt sind zwei Busse bis auf den letzten Platz besetzt. Ein dritter Bus ist schon geordert und auch der dürfte schnell voll sein. Alle wollen sich das Stück ansehen, das seit zehn Jahren beinahe jeden Abend in Schmidts Tivoli aufgeführt wird. Mehr als 1,5 Millionen Besucher haben sich die knapp 3.000 Aufführungen schon angesehen. Schon irre. Denn die Geschichte ist genau so, wie die Schlagworte Reeperbahn und Heiße Ecke vermuten lassen.

Die Heiße Ecke ist ein Imbiss, an dem sich alle treffen – Nutten, Junggesellenabschiedler, Etepetete-Paare auf dem Weg ins benachbarte St.-Pauli-Theater, Studierende, Kriminelle, Säufer und was halt so auf dem Kiez rumhängt. Man kümmert sich recht nett und raubeinig umeinander, singt ein bisschen und am Ende sind alle irgendwie ein bisschen glücklich – ist ja ein Musical.

Es sind Stücke wie die „Heiße Ecke“ oder die Mitternachtsshow, die von 1989 bis 1993 im NDR übertragen wurde, die das Schmidt Theater und Schmidts Tivoli zum erfolgreichsten Privattheater Deutschlands gemacht haben. Und zwar mit einem Kartenerlös von rund 13 Millionen Euro und 475.000 Besuchern im letzten Jahr. Alles ohne Subventionen.

Die Presseabteilung des Hauses nennt das Jubiläum denn auch ein „Ereignis von nationaler Bedeutung“. Hört sich etwas vermessen an, passt aber irgendwie zur Großkotzigkeit Hamburgs – schönste Stadt der Welt und so. So gesehen ist es folgerichtig: Wird das erfolgreichste Privattheater in der schönsten Stadt der Welt 25 Jahre alt, ist das ein nationales Ereignis. Reisegruppen wie die Ganderkeseer Landfrauen geben ihnen recht.

Am 8. August 1988 um 20.08 Uhr haben Theaterchef Corny Littmann und Ernie Reinhardt alias Lilo Wanders das Schmidt Theater eröffnet. Das Publikum saß auf Plüschsesseln – und das tut es noch immer. 2004 musste das alte Schmidt Theater zwar abgerissen werden, weil das Gebäude baufällig war, aber auch im rot-klotzigen Neubau gibt’s weiter Sofas, Sessel, Tischchen und etwas Plüschgefühl.

Und zum Jubiläum nun wochenlang eine Schlagerrevue mit Liedern aus den 60er-, 70er- und 80er-Jahren. Gegen Schlager sollte man also nichts haben – aber so richtig gruselig ist doch eher der, den Alexandras „Mein Freund der Baum“ oder Udo Jürgens „Griechischer Wein“ nicht wenigstens ein bisschen rühren.

Gern bemüht werden hier übrigens noch weitere Superlative: schrägstes und schrillstes Theater – an der sündigsten Meile natürlich. Das ist fast so zwanghaft, wie den Christopher Street Day (CSD) in Hamburg jedes Jahr unbedingt als schräg und schrill beschreiben zu müssen. Das nervt, wird aber vom Schmidt selbst aufrechterhalten. Das nämlich wirbt für sich mit dem Dreiklang, eben: „Schräg, schön, schrill“. Klingt leider wirklich abgehangen. Und abgesehen davon: Fallen sie denn tatsächlich so arg aus dem Rahmen, wie sie es gern hätten? Würden dann die Landfrauen in Scharen kommen?

Aber sei’s drum: Es sitzt sich nun mal so gut im klimbimigen Saal des Tivoli. 1991 kam das Haus dazu und es war ein recht großer Schritt, waren es doch auf einen Schlag 600 Plätze mehr. Es ist einfach schön, dort etwa Georgette Dee zuzuhören, wie sie Geschichten über die Liebe erzählt und herrlich rauchig singt und sich auf dem Flügel begleiten lässt. Einfach dazusitzen und Bier zu trinken. Das geht hier nämlich, nur rauchen ist mittlerweile natürlich verboten. Ging aber auch mal. Leider gehen diese fast schon intimen Vorstellungen manchmal ein wenig unter. Im Geschrei um nationale Bedeutungen und so.

■ Geburtstagsgala: Do, 8. 8., ab 8.08 Uhr, Spielbudenplatz; Schmidtparade: Sa, 3. 8., 19.30 Uhr, So, 4. 8., 18.30 Uhr, Mi, 7. 8., 18.30 Uhr und Fr, 9. 8., 19.30 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen