Kuhmist bringt Rosen

Wie Pflanzen gedüngt werden, beeinflusst ihren Geschmack und ihre Verträglichkeit. Ob mit Mist oder Künstdünger nachgeholfen wird, ist dabei nicht entscheidend, sondern der Sachverstand

von Gernot Knödler

Düngen wirkt Wunder. Der Topf, dessen karge Erde im einen Jahr kümmerliche drei Tomaten hervorbrachte, gebar mit Universaldüngers Nachhilfe im anderen Jahr eine Monsterpflanze mit 40 Früchten. Doch auf den Stolz des Gärtners fielen Schatten. Der erste, als eine Besucherin fragte, ob das denn gesund sein könne, Kunstdünger zu verwenden. Der zweite, als der Gärtner feststellte, dass die Tomaten bei allem Stolz mitunter mäßig schmeckten. Ob‘s am geradezu Besorgnis erregenden Wachstum lag?

Aus Sicht der Wissenschaft gibt es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen organischem Dünger, also Kompost, und Mineraldünger. „Die Pflanze nimmt nach heutigem Kenntnisstand Nährstoffe über die Wurzel immer in mineralischer Form auf“, schreibt Katharina Anneser vom Institut für Gartenbau der Fachhochschule Weihenstephan. Organischen Dünger müssen Mikroorganismen aber erst zersetzen, damit die darin enthaltenen Mineralien frei werden.

„Die Frage ist nur: Ist der Nährstoff verfügbar und trifft er den Bedarf“, sagt Nicolaus von Wirén vom Institut für Pflanzenernährung der Universität Hohenheim. Weil er bei Feuchtigkeit sofort verfügbar ist, kann Mineraldünger nach Menge und Timing genauer dosiert werden. Je nachdem, ob eine Tomate, eine Möhre oder ein Salatkopf gezogen werden soll, und je nachdem, ob dabei der Ertrag, der Vitamin-Gehalt oder die Süße im Vordergrund steht, muss die Fütterung anders aussehen.

„Es gibt eine Optimumskurve für jeden Qualitätsfaktor und jeden Nährstoff“, sagt von Wirén. Wird immer mehr Kalium in die Erde gegeben, steigt der Ertrag erst an und bricht dann ein. Ähnlich beeinflussen Mineralien den Vitamin-C-Gehalt oder die Süße. Für den wissenschaftlich orientierten Gärtner kommt es darauf an, die Ertragskurven unterschiedlicher Nährstoffe richtig zu kombinieren. Möglicherweise muss er auf Ertrag verzichten, um eine süßere Frucht zu erzeugen.

Besonders durch mineralischen Dünger können Pflanzen leicht in einen Luxuskonsum getrieben werden. „Pflanzen können nicht Maß halten“, sagt Roger Gloszat vom Hamburger Landesbund der Gartenfreunde. Sie fressen Stickstoff noch und nöcher, sie „geilen aus“, wie Gloszat sagt. Das Gemüse wird wässrig und schmeckt entsprechend.

Der schlechte Ruf der Holland-Tomaten ist nach Meinung Gloszats nicht auf deren Düngung, sondern auf die Sorten zurückzuführen. Wenn eine gute Transport- und Lagerfähigkeit und das Aussehen im Vordergrund stehen, gehe das leicht zu Lasten des Geschmacks. Von Wirén verweist darauf, dass die Holland-Tomaten oft aus Gewächshäusern stammen, wo sie zu wenig Licht abkriegen.

Schädliche Folgen hat Dünger, sei er mineralisch oder organisch, nur, wenn er im Unverstand eingesetzt wird. Wenn die Pflanzen Früchte bilden, brauchen sie nur wenig Stickstoff. Wird dieser dann in die Erde gegeben oder dann erst aus organischem Dünger freigesetzt, kann er ausgewaschen werden und ins Grundwasser gelangen.

Stickstoff im Übermaß kann sich auch im Blattgemüse anreichern. Im Menschen, so die bisherigen Befürchtungen, können daraus krebserregende Nitrosamine werden. Neuesten Forschungen zufolge bilden sich die Nitrosamine aber durch mangelnde Hygiene beim Kochen. „Die Humanbedenklichkeit ist deutlich geringer als man angenommen hat“, sagt von Wirén.

Joachim Bauck, dessen Hof bei Amelinghausen seit 1932 biologisch-dynamisch betrieben wird, hält Kunstdünger zwar nicht für gesundheitsschädlich, aber für überflüssig. Der Boden verfüge über mehr als genug Mineralstoffe, sagt er, die aber nicht ohne weiteres verfügbar seien. Bauck zieht Pflanzen, die Nährstoffe anreichern, von denen wiederum andere Pflanzen leben. „Es kommt darauf an, dass sie mit der Natur so spielen, dass der Boden und die Pflanzen vital bleiben“, sagt er.

Auch wie biologisch gezielt gedüngt werden kann, weiß Bauck. Bestes Leinöl ergibt seiner Erfahrung nach das Düngen mit Schafsmist. Sellerie gedeiht gut mit Schweinemist und Rosen wollen auf Kuhmist gebettet sein, wenn sie duften sollen.