Mein zweiter erster Schultag

SCHULJAHR 2013/14 Fast 2.500 QuereinsteigerInnen werden in den Schuldienst aufgenommen, Kathrin J. ist eine davon: Sie wird als Mathe- und Informatiklehrerin arbeiten. Angst vor der Rückkehr ins Klassenzimmer hat sie nicht: „Ich bin positiv aufgeregt“

■ Fast 1.500 neue LehrerInnen stellt Berlin zum neuen Schuljahr ein, das am Montag beginnt. Sie werden die knapp 30.000 Lehrkräfte verstärken, die bereits die rund 350.000 SchülerInnen an öffentlichen und privaten Schulen unterrichten.

■ Dazu kommen noch etwa 4.600 BerufsanfängerInnen zum neuen Schuljahr an die Schulen: 2.200 ReferendarInnen komplettieren so ihr Lehramtsstudium, knapp 2.400 sind QuereinsteigerInnen, die neben ihrer Unterrichtstätigkeit als angestellte Lehrkräfte gemeinsam mit den ReferendarInnen die Schulpraktischen Seminare besuchen. Dort absolvieren sie berufsbegleitend die Ausbildung zum fest angestellten Fachlehrer.

■ Anders als die ReferendarInnen, die direkt von der Uni kommen und maximal 9 „Ausbildungsunterrichtsstunden“ erteilen dürfen, können die Quereinsteiger neben der Ausbildung bereits bis zu 19 Stunden unterrichten.

■ Erst nach der zweijährigen Ausbildung im Schulpraktischen Seminar, wo etwa Didaktik und Unterrichtsplanung vermittelt werden, werden sie aber als voll ausgebildete Lehrkräfte fest in den Schuldienst übernommen und den anderen Lehrern gleichgestellt. Die Anstellung ist ihnen mit dem Beginn der berufsbegleitenden Ausbildung sicher. ReferendarInnen dagegen müssen sich nach ihrem Ausbildungsende erst eine suchen.

■ Chancen als Quereinsteiger hat vor allem, wer eines der sogenannten Mangelfächer unterrichten kann: Mathe, Physik, Informatik und auch andere Naturwissenschaften. Doch auch ganz anders Qualifizierte sind nicht chancenlos: Neben der Informatikerin Kathrin J. drückt etwa auch ein Theaterregisseur die Schulbank für LehrerInnen. (akw)

PROTOKOLL ALKE WIERTH

„Montag ist mein erster Schultag. Im Moment bin ich noch nicht aufgeregt, weil ich mich sehr gut vorbereitet habe: In einem Fach habe ich die Unterrichtsstunden schon für die ersten Monate vorgeplant. Ich werde Lehrerin für Mathematik und Informatik an einer Sekundarschule mit Oberstufe. Als Quereinsteigerin.

Eigentlich bin ich Diplominformatikerin und habe nach dem Studium mehrere Jahre lang bei einem Softwarehaus gearbeitet. Habe Projekte mit Kunden entwickelt, bin viel herumgereist, habe Menschen getroffen, also nicht allein im stillen Kämmerchen vor einem Computer gesessen. So stellen sich ja viele die Arbeit von Informatikern vor. Ich hatte einen tollen Job, spannend und auch gut bezahlt.

Ausgestiegen bin ich, als die Kinder kamen. Wir haben drei Kinder, und ich bin neun Jahre in der Erziehungszeit geblieben. Danach konnte ich wieder in meinen alten Job zurück, aber da ich wegen der Kinder nicht mehr so flexibel etwa für Reisen war, war das keine Herausforderung mehr für mich. Plötzlich saß ich wirklich nur noch am Computer. Das war nicht erfüllend.

Dass ich jetzt Lehrerin werde, ist fast ein bischen komisch: Schon in der Schule wurde ich oft gefragt, ob ich nicht Lehrerin werden wolle. Ich war gut in Naturwissenschaften und Mathe und konnte das auch gut vermitteln. Aber das war damals einfach nichts für mich, der Beruf. Ich wollte nicht von der Schule an die Uni und wieder zur Schule. Ich wollte in die Wirtschaft, etwas Neues kennenlernen. Ich konnte mir nicht vorstellen, die Herausforderung, die ich suchte, im Lehrerberuf zu finden.

Es selbst versuchen

Als ich dann Mutter wurde, habe ich das so genossen mit den Kindern, das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich habe mich auch viel an ihren Schulen engagiert, in der Elternvertretung, in den Fachkonferenzen. Dort kam dann eigentlich der Gedanke, es wirklich selbst zu versuchen. Ich habe – neben vielen guten LehrerInnen und Lehrern – auch manche kennengelernt, die gerade in Mathematik und Informatik den Stoff nicht gut vermittelt haben.

Auch die Unterrichtsmaterialien, vor allem in Informatik, fand ich zum Teil schlecht konzipiert. Manche, die an den Gymnasien verwendet werden, sind geradezu anachronistisch, das hat mich sehr überrascht. Ich habe in diesen Jahren nicht nur meinen eigenen Kindern geholfen, sondern auch Nachhilfe gegeben und dabei gemerkt, dass ich den Stoff gut vermitteln kann. Dann haben mich auch Lehrkräfte meiner Kinder gefragt, warum ich nicht selbst Lehrerin würde.

Also habe ich mich beworben, und in diesem Jahr wurde ich genommen. Ich werde in den Sekundarstufen I und II unterrichten, also Mittel- und Oberstufe. An welche Schule ich komme, steht auch schon fest: die Heinrich-Böll-Oberschule in Spandau, die nach reformpädagogischen Prinzipien arbeitet, also mit jahrgangsübergreifenden Gruppen und Lernbüros. Es gibt wenig Frontalunterricht, stattdessen viel eigenständiges Arbeiten der Kinder, bei denen die Lehrer sie begleiten.

Das Konzept finde ich toll. Ich habe die Schule auch schon besucht und dort Lehrkräfte, SchülerInnen und die Schulleiterin kennengelernt. Die Atmosphäre war sehr freundlich und unterstützend, die Kinder werden mit viel Lob ermutigt, müssen aber auch Regeln einhalten. So stelle ich mir das auch vor: Ich will freundlich sein, mich aber auch durchsetzen. Lieber mit Lob als mit Strafen arbeiten. Ich glaube, dass das an dieser Schule funktioniert. Man merkt den Kindern an, wie zufrieden und zugewandt sie in dieser Atmosphäre sind. Mir gefällt auch, dass diese Schule ein bisschen wie ein Unternehmen geführt wird, mit einer klaren Rolle der Schulleitung und Lehrerteams, in denen es auch Feedback für die Arbeit gibt.

Ein gutes Gefühl

Ich werde zunächst Mathematik in der Lerngruppe 7. bis 9. Klasse und Informatik in der Oberstufe unterrichten, mit insgesamt 13 Stunden pro Woche, da ich Teilzeit arbeite. Ich habe schon mit den Fachbereichsleiterinnen meiner Schule gesprochen und mich gut vorbereitet – das gibt mir ein gutes Gefühl.

Zudem habe ich ja jetzt eine Woche lang im schulpraktischen Seminar Unterricht im Unterrichten bekommen. Es war erfrischend, da mit meinen 46 Jahren neben jungen Leuten zu sitzen, die frisch von der Uni kommen. Aber es gab auch eine ganze Menge in meinem Alter und Ältere unter den Neueinsteigern. Ich glaube, dass diese Mischung auch gut ist: Die, die direkt von der Uni kommen, sind vielleicht in Didaktik besser. Aber wir Quereinsteiger bringen ja auch eine Menge Erfahrungen mit – nicht nur aus dem Beruf, auch Lebenserfahrung. Etwa, wie man mit pubertierenden Kindern umgeht.

Ich habe keine Angst vor meinem ersten Schultag: Ich freue mich darauf. Aber in der Nacht werde ich sicher aufgeregt sein. Eine Schultüte bekomme ich nicht. Und was ich anziehen werde, da habe ich mir von meinen Kindern Rat geholt: ‚Sportlich, aber ordentlich‘ haben sie gesagt. Auf keinen Fall solle ich mich anziehen wie meine SchülerInnen.“