teheran, boykott etc.
: Lasst im Iran 1000 Bücher blühen!

Wird das iranische Regime dadurch gestärkt, dass deutschsprachige Literatur auf der Buchmesse in Teheran erhältlich ist? Das meint jedenfalls die Deutsch-Israelische Gesellschaft. Ihr Vorsitzender, Jochen Feilcke, fordert in einem Schreiben an die Frankfurter Buchmesse, den für Mai geplanten Gemeinschaftsstand deutscher Verlage „unverzüglich zu stornieren“. Alles andere käme einer „intellektuellen und politischen Aufwertung des Regimes“ gleich und wäre ein „Schlag ins Gesicht“ der iranischen Opposition. Hört sich konsequent an. Ist es aber nicht. Feilcke, der viele Jahre für die CDU im Bundestag saß, irrt sich gewaltig. Wer Mahmud Ahmadineschad und das Mullahregime loswerden will, braucht der iranischen Bevölkerung dazu keine zeitgenössische Literatur aus Deutschland vorzuenthalten.

Im Gegenteil: Die internationale Buchmesse in Teheran gilt als ein Tor zum Westen und bietet eine der wenigen offiziellen Möglichkeiten, sich über die Kulturproduktion außerhalb des Landes zu informieren. Austausch und Wissen ist für das Regime Gift, hilft aber der gesellschaftlichen Opposition. Und ausgerechnet dieser will der Vorsitzende Feilcke nun die Regale in Teheran leer räumen? Das klingt nach einem schlechten Witz: Schlüpft schon mal etwas durch die strenge staatliche Zensur, ertönt der Ruf nach Selbstzensur.

Der Leiter der Frankfurter Buchmesse, Jürgen Boos, will dem auch nicht nachgeben. 120 deutsche Verlage wurden vom deutschen Börsenverein und der Frankfurter Buchmesse ausgewählt, einzelne Bücher in Teheran zu präsentieren. Ziel sei es, so Boos, dem Publikum einen repräsentativen Querschnitt der aktuellen literarischen Produktion aus Deutschland zu vermitteln. Ein Vorhaben, das weder das gottesfürchtige Regime ins Wanken bringen noch zur Staatspropaganda taugen wird.

Warum also die Aufregung? Wer sich tatsächlich eine iranische Antiatombewegung wünscht, muss versuchen, durch Austausch das Seine dazu beizutragen. Die Mullahs lenken mit antiwestlicher und antiisraelischer Abschottungsrhetorik vom innenpolitischen Versagen ab. Ohne außenpolitischen Konflikt bringt das Regime keine 20 Prozent der Bevölkerung hinter sich. Islamisten haben eine Aufweichung der Front mehr zu fürchten als ihre vorgestellten Feinde. Deswegen: Nehmt nicht die gesamte iranische Gesellschaft für Ahmadineschads Atomprogramm in Geiselhaft!

ANDREAS FANIZADEH