„Durchwinken kommt nicht in Frage“

Der Druck der Landesfürsten aufs Parlament ist skandalös, sagt Chefin des Bildungsausschusses Burchardt (SPD)

taz: Frau Burchardt, seit gestern liegt die Föderalismusreform im Bundestag. Was werden Sie als Abgeordnete tun – ablehnen oder durchwinken?

Ulla Burchardt: Durchwinken kommt überhaupt nicht in Frage. Allein schon, weil wir die größte Verfassungsänderung seit 1949 vorhaben. In der SPD-Fraktion besteht der feste Wille, das Reformpaket zu verbessern – handwerklich wie fachlich.

Ist das nötig?

Ja. Der Entwurf zementiert die Rechte der stärkeren Bundesländer und schwächt die Möglichkeiten der kleinen weiter. Das war nicht die Idee einer bundesstaatlichen Neuordnung. Daher ist es eine Frage von bestem Wissen und Gewissen, wie man dem ursprünglichen Sinn einer fairen Entflechtung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern Geltung verschaffen kann.

Die Ministerpräsidenten sehen keine Gewissensfrage. Der Bundestag soll unverändert verabschieden …

… ein bemerkenswertes Verständnis der Verfassung. Das Grundgesetz sieht den Bundestag als das höchste Gesetzgebungsorgan. Die Ministerpräsidenten maßen sich an, allein zu entscheiden. Es wäre aber geradezu skandalös, wenn ein Verfassungsorgan dem anderen quasi verbieten wollte, die beste Lösung zu finden. Ich fürchte: Je massiver die Drohkulisse, desto größer das Risiko, die Zweidrittelmehrheit zu verfehlen.

Sie sind Vorsitzende eines Bundestagsausschusses. Wie können Sie Abgeordnete vor Pressionen schützen?

Ich kann mich ja nicht vor die Kollegen werfen, um sie dem Zugriff ihrer parlamentarischen Geschäftsführer zu entziehen. Mir ist es wichtig, die originäre Aufgabe des Parlaments zu erfüllen: Öffentliche Aufmerksamkeit zu erzeugen für die offenkundigen Fehler, die in diesem Entwurf sind – und sie dann zu beseitigen.

Ihr Kampfesmut in allen Ehren. Die Drohkulisse gegen Veränderungen des Entwurfs ist enorm.

Die Ministerpräsidenten sind gut beraten, konstruktiv mit unseren Vorschlägen umzugehen. Ein anständiger Umgang der Organe miteinander wird der Föderalismusreform gut tun.

Wie sieht Ihr Fahrplan für die nächsten Wochen aus?

Wir müssen uns mit aller Sorgfalt den fachlichen Fragen widmen. Da geht es zuallererst darum, ob die Vetomöglichkeiten des Bundesrats tatsächlich eingeschränkt werden. Dieses Kernstück der Reform ist überhaupt noch nicht geklärt.

Und was ist Ihre politische Maxime?

Ich setze auf die Weitsicht der Fraktionsführungen. Wer die Abgeordneten nicht ernst nimmt, läuft Gefahr politisches Porzellan zu zerschlagen. Das wäre verheerend – für die große Koalition und für die Legitimation politischen Handelns.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER