Mindestlohn reicht nicht

VERGABEGESETZ Gewerkschaften und Opposition wollen den Mindestlohn im Gesetz – aber auch strenge ökologische Kriterien. Unternehmensverbände wollen überhaupt keine Vorgaben für den Mittelstand

Richtig zufrieden ist mit dem Entwurf für ein Vergabegesetz noch niemand. „Nicht mittelstandsfreundlich“, lamentieren Unternehmer und ihre Vertreter; „gut, aber nicht gut genug“, befinden Gewerkschafter und Opposition. Das Land will mit dem Gesetz öffentliche Aufträge an einen Mindestlohn von 7,50 Euro knüpfen. Es wäre ein bundesweit einmaliger Vorstoß. Der Senat hat einen entsprechenden Entwurf bereits beschlossen, am Montag befragten die Abgeordneten im Wirtschaftsausschuss Experten zu dem Thema.

„Das Gesetz macht deutlich, dass die öffentliche Hand bei der Vergabe von Aufträgen Gestaltungsmacht hat“, sagte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke). Senat, Bezirke und landeseigene Unternehmen vergeben pro Jahr Aufträge im Wert von 4 bis 5 Milliarden Euro an private Unternehmen – etwa bei der Gebäudesanierung und der Postbeförderung. Größere Aufträge unterliegen den Vorgaben europäischen Vergaberechts. Ein erster Entwurf, soziale Standards bei Ausschreibungen durchzusetzen, scheiterte vor dem Europäischen Gerichtshof. Nun hat der Senat nachgebessert.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) lehnt das Gesetz dennoch ab. Die strengen Vorgaben zum Mindestlohn, geplante Kriterien zu Frauenförderung und Umweltschutz seien nicht mittelstandsfreundlich, sagte Melanie Bähr vom Berliner Landesverband. „Es gilt, den Wettbewerb zu wirtschaftlichsten Konditionen zu bestellen.“ Die IHK befürchtet, dass sich der Mittelstand nicht mehr um öffentliche Aufträge bemühen wird und nur mehr die Privatwirtschaft bedient. Die Vereinigung der Unternehmerverbände in Berlin und Brandenburg (UVB) stimmte in die Kritik ein. „Wir sind nicht gegen Frauenförderung und Klimaschutz, aber das gehört nicht in ein Vergabegesetz“, sagte Burkhard Rhein, der als Vertreter für die UVB-Geschäftsführung ins Abgeordnetenhaus gekommen war. Derartige Standards könnten stattdessen je nach Auftrag konkretisiert werden.

Unterstützung erhielt Senator Wolf hingegen vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Dessen Berliner Vorsitzende Doro Zinke erklärte, das Gesetz weise in die richtige Richtung. Indes müssten effektive Kontrollen sichergestellt werden. „Jeder Verstoß muss geahndet werden“, sagte Zinke. Auch die Grünen-Fraktion begrüßte den Entwurf im Grundsatz, zeigte sich aber enttäuscht über das Gewicht ökologischer Belange. „Ich hätte mir mit gleicher Vehemenz, mit der die 7,50 Euro Mindestlohn festgeschrieben werden, auch eine ökologische Zielsetzung gewünscht“, sagte Fraktionsvorsitzender Volker Ratzmann. Er verwies darauf, dass Klimaschutz ein Staatsziel sei. „In diese Richtung müssen wir auch mit dem Vergabegesetz steuern.“ KRISTINA PEZZEI