Lieber Pop als Jazz

Das neue Moers-Festival verpflichtet Avantgarde-Künstler

Der neue Aufbruch sollte schon durch einen Ort symbolisiert werden: Statt im dunklen „Röhren“-Keller präsentierte sich das 35. Moers Festivals unter einem bunten Blumenhimmel im Parkcafé: „Von hier aus den Weg in die Zukunft gehen“, zog der neue Festivalleiter Reiner Michalke eine Brücke zur Vergangenheit: Man könne auf den Schlosshof gucken, wo das Festival 1972 seinen Anfang nahm.

Michalke hat viele Musiker aus dem Avantgarde-Pop und dem Songwriting zu seinem ersten Moers Festival eingeladen: „Der Jazz ist nicht mehr zentraler Ort neuer Ideen, oft nur noch Referenz“, sagte er. Es gäbe keine neuen Trends und keine neuen Wahrheiten. Zu seiner Auswahl gehören die Londoner Dani Siciliano und Matthew Herbert, der Isländer Mugison, die norwegische Sängerin Susanna Wallumroed und die israelisch-amerikanische „Balkan Beat Box“.

Daneben werden auch „alte“ Jazzer wie John Scofield, Dewy Redman, Niels Petter Molvaer und Peter Brötzmann, der Top-Musiker schon 1972, zu hören sein. „Artist in residence“ wird der Norweger Arve Henriksen sein. Lateinamerika und Afrika tauchen auf dem Festival fast gar nicht auf. Die African Dance Night ganz fällt weg. „Es gab wenig, was mich da überzeugt hat“, so Michalke. 2007 will er sich aber insbesondere der Musik in Brasilien widmen. Den Vorwurf, er kopiere nur das Programm seines Kölner „Stadtgartens“, wies Michalke zurück. Es sei legitim, sich dort Anregungen fürs Programm zu holen.

Neu sind dafür die Djs, die ab Mitternacht an verschiedenen Plätzen in Moers den Besuchern einheizen. Die von Vorgänger Burkhard Hennen ins Leben gerufenen Projekte neben dem Festival werden von der Musikschule als „the morning“ in ein Erlebnisdreieck rund um das Moerser Schlosstheater, Rathauskantine und dem Dunkelzelt verlegt.

Dass der WDR als Kulturpartner wieder Anschluss an das Festival gefunden hat, wollte Moers GmbH-Aufsichtsratsvorsitzende Carmen Weist nicht als Signal verstanden wissen: „Wenn wir aber eine Zusammenarbeit als nicht-mainstreamiges Musikfestival hinkriegen, ist das doch wunderbar.“

ALEXANDER FLORIÉ